Freundinnenschaft: Eva Reisingers Männer töten

REZENSION Melanie Deutsch, 29. Jänner 2024

Frauen in ganz Österreich schweben in Gefahr. In ganz Österreich? Nein, denn im oberösterreichischen Engelhartskirchen liegt die Femizidrate bei 0 %.

Dieses heimelige Fleckchen Erde existiert leider nur zwischen Buchdeckeln. Eva Reisinger hat es für ihren neuen Roman “Männer töten”, der im Verlag Leykam erschienen ist, erschaffen und ins gar nicht so fiktive Oberösterreich verlegt. Dorthin verschlägt es Wahlberlinerin Anna Maria, die sich nach dem Verlust ihres Langzeitpraktikums eine Auszeit nimmt. Die Unterschiede zwischen Stadt- und Landleben erweisen sich als nicht besonders groß, heftig gefeiert wird hüben wie drüben und hinterher brummt der Schädel nicht nur auf der hippen Neubaudachterasse, sondern auch auf der Weide. Das Auffallende in Engelhartskirchen ist aber, dass es hier kaum Männer gibt. Nicht einmal ein Pfarrer ist da, an seiner Stelle amtiert eine Frau und traut in der Kirche ein lesbisches Pärchen.

Eva Reisinger, 1992 geboren, wuchs in der oberösterreichischen Provinz zwischen Zeltfest und Wodkabull auf. Sie studierte in Wien Journalismus, arbeitete in Medienhäusern in Hamburg, Berlin und Istanbul. Ab 2017 baute sie einen Österreich-Schwerpunkt für das junge Medium der ZEIT auf und berichtete als Korrespondentin aus dem Nachbarland. Ihr erstes Buch »Was geht, Österreich?« erschien 2021 bei Kiepenheuer & Witsch. Für ihren Debütroman erhielt sie das Start-Literaturstipendium der Stadt Wien. Sie lebt als freie Autorin mit ihrer Hündin Frieda in Wien und träumt vom Matriarchat. Foto: Minitta Kandlbauer

Eva Reisinger, Männer töten, Leykam 2023, 288 Seiten, gebundene Ausgabe, €24,50

Anna Maria genießt die Landluft und die aufkeimende Beziehung zu Hannes und freundet sich schnell mit den Nachbarinnen Bine und Josepha an. Sie erfährt viel über die Eigenheiten des Dorfes und warum der eine oder andere Mann nicht mehr Teil der Gemeinschaft ist. Als Anna Marias Exfreund in Engelhartskirchen auftaucht, muss sie sich mit unangenehmen Erfahrungen auseinandersetzen.

Reisingers Sprache ist klar und direkt, kurze Ausrufe im Dialekt erklären sich von selbst, beispielsweise ein freudig angekündigtes “Gemma pudern!” (Welches sich natürlich auf Kühe bezieht, die charmanterweise alle die Vornamen landesweit bekannter Politiker tragen.)

Der Romantitel ist Programm. Die Frauen setzen sich gegen physische und psychische Gewalt zur Wehr. Und am stärksten sind sie im Kollektiv. Das spannende Thema ist der Zusammenhalt unter ihnen, ihre Freundinnenschaft. Sie unterstützen einander, passen aufeinander auf und pflegen auf diesem Weg eine jahrhundertealte, von Nachkommen der einzigen Landesmutter persönlich auf den Weg gebrachte Traditionen. Dabei bleiben sie kompromisslos bis zum Ende. Daumen hoch für diese starken Frauen.

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