PODCAST Barbara E. Seidl 1. November 2021
Fotosujet: Renate Altenrath/ Stifterhaus
Am 1. November 1921 erblickten Ilse Aichinger und ihre Zwillingsschwester Helga in Wien das Licht der Welt, ihre frühe Kindheit bis zur Scheidung der Eltern im Jahr 1927 verbringen die beiden in Linz. Zurück in Wien, warten schwierige Zeiten auf die beiden. 1939 werden die Schwestern getrennt, als Helga die Ausreise nach London ermöglicht wird. Ilse Aichinger bleibt in Wien zurück, wo sie 1942 die Deportation ihrer geliebten Großmutter, ihrer Tante und ihres Onkels mitansehen muss, die schließlich mit tausenden anderen jüdischen Wiener:innen in einem Lager bei Minsk ermordet werden. Die schrecklichen Geschehnisse hinterlassen einen bleibenden Eindruck, 1948 erscheint mit Die größere Hoffnung Ilse Aichingers erster und einziger Roman in dem sie die traumatisierenden Erlebnisse aber auch das Überwinden der „großen Angst“ verarbeitet. Mit Die größere Hoffnung wurde die Autorin zu einer der wichtigsten Repräsentantinnen der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur. Aichingers spätere Texte ließen viele Leser:innen jedoch ratlos zurück.
Anlässlich des 100. Geburtstags der Autorin widmet sich Das Litrophon in einem Aichinger Spezial der großen österreichischen Autorin nun aus literaturwissenwissenschaftlicher Perspektive.
Im Interview betont die Germanistin und Komparatistin Christine Ivanovic die große Bedeutung von Ilse Aichinger zum einen als wichtige Repräsentantin der österreichischen Nachkriegsliteratur, zum anderen als Vertreterin des sogenannten „linguistic turns“.
Ausgehend von der von ihr kuratierten Aichinger Ausstellung „Das grüne Märchenbuch aus Linz“ im Stifterhaus, erzählt Christine Ivanovic von ihren Entdeckungen während der Recherche und dem nicht zu unterschätzenden Einfluss von Kindheitserinnerungen und Elternhaus auf Ilse Aichingers Werk.
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Christine Ivanovic ist Germanistin und Komparatistin und war Professorin für deutschsprachige Literatur an der Universität Tokio. Aktuell lehrt sie am Institut für Europäische und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien. Zuletzt erschienen u.a.: »Die Lücke im Sinn. Vergleichende Studien zu Yoko Tawada« (Mithrsg., 2014); »Darstellung als Umweg. Essays und Materialien zu (Krieg und Welt) von Peter Waterhouse« (Hg., 2020).
Das grüne Märchenbuch aus Linz: Ilse Aichinger (1921–2016)
Ausstellung im Stifterhaus, Adalbert-Stifter-Platz 1
4020 Linz
20. Oktober 2021 – 3. Mai 2022
Der Vater war ein im Linzer Kulturleben überaus aktiver Lehrer und Schriftsteller, die Mutter engagierte sich als erste Jugendamtsärztin der Stadt für die gesundheitliche Aufklärung vor allem von Mädchen und Frauen. Erinnerungen an ihre frühe Kindheit in Linz publiziert Ilse Aichinger erst in ihren späten Jahren. Aber als ihr Hauptwerk entsteht, zwischen 1952 und 1981, ist sie mit ihren Texten in fast 20 Jahrgängen des Literarischen Jahrbuchs der Stadt präsent. Die Ausstellung zeigt Ilse Aichinger aus dem ungewohnten Blickwinkel ihrer Beziehung zu Linz und seinen Autoren – an deren erster Stelle Adalbert Stifter steht.
Online Ausstellungen zu Ilse Aichinger:
Es begann mit Ilse Aichinger : Eine Online Ausstellung kuratiert von Christine Ivanovic und Sugi Shindo
Weitere Informationen zu Veranstaltungen:
http://2021.aichingerhaus.at
Ilse Aichingers Werkverzeichnis:
http://dial.aichingerhaus.at