Großstädter sind auch nur Menschen: Romina Pleschkos Ameisenmonarchie

REZENSION Barbara E. Seidl 13. Februar 2021

Im Ameisenstaat spielen die Weibchen eine wichtige Rolle: sie fungieren als Arbeiterinnen und Soldatinnen. Die unumstritten wichtigste Rolle kommt jedoch der Königin zu, denn sie ist für die Reproduktion zuständig. Damit endet aber auch schon ihr Einfluss innerhalb der Kolonie. Wie eine Gefangene ihres eigenen Staates weilt sie oft tief eingegraben im Boden, wird gefüttert und gepflegt, um die Produktion der Nachkommen zu garantieren. Vom Geschehen außerhalb ihres Baus bekommt sie so gut wie gar nichts mit.

In ihrem Romandebüt Ameisenmonarchie, zeichnet Romina Pleschko das Bild einer menschlichen Ameisenkönigin in Gestalt von Magdalena nach, einer gelangweilten Hausfrau, die, von ihrem Gynäkologen-Gatten mithilfe in den Augen ihrer Lieblingssalami versteckter Beruhigungsmittel wohlig sediert, im schwarzgefederten Morgenmantel durch ihre Wohnung schleicht. Ihr zur Seite steht besagter Frauenarzt Herb senior. Wohl genährt versucht sich der kontrollfreudige Mann mit seiner bevorstehenden Pensionierung anzufreunden. Ihr gemeinsamer Sohn, Herb junior, hadert gleichermaßen mit der ihm aufgedrängten Übernahme der väterlichen Praxis wie mit seinem unglücklichen Händchen in Bezug auf männliche Liebhaber. Einer davon, ein Nationalratsabgeordneter der „unwählbaren Partei“, hinterläßt im Aufzug des Wohnhauses gerne einen bleibenden Eindruck in Form einer angesagten Duftnote von Tom Ford. Bleiben noch Karin, eine sommersprossige Alleinerziehende, die in einem Eltern-Kind-Forum dank ihrer versierten Hautpflegetipps für Furore sorgt, und ein Mann namens Klaus, der eben jenes Forum für perverse Stalk-Spielchen benutzt.

Romina Pleschko, Ameisenmonarchie. Roman, Kremayr & Scheriau 2021, 208 Seiten, €20.

Foto: Nadine Studeny

Romina Pleschko, geboren 1983 in Oberösterreich, Schauspielstudium am Konservatorium der Stadt Wien, Engagements u. a. bei den Wiener Festwochen und am Volkstheater Wien. Ausbildung zum Make-up Artist, Studium an der Leondinger Akademie für Literatur. Diverse Veröffentlichungen und Stipendien, zuletzt Writer in Residence bei ORFIII 2019. „Ameisenmonarchie“ ist ihr erster Roman.

Mit ihrer bitterbösen Satire auf das Zusammenleben in einem Wiener Wohnhaus, appelliert Romina Pleschko an unsere niedrigen Triebe. So wird der Hang zur voyeuristischen Beobachtung der Nachbarschaft ebenso bedient wie die menschliche Schadenfreude. Denn, so viel darf verraten werden, die Charaktere in Ameisenmonarchie sind allesamt ziemliche Ungusteln und dabei dennoch auch irgendwie liebenswert. Wenn sich etwa Herb senior jenseits jeder Political Correctness über seine Patientinnen auslässt, oder Karin ihre Tochter leicht von sich wegschiebt, um ihre Chancen beim männlichen Nachbarn zu steigern, entkommt den Leserinnen ein ebenso lautes Kichern wie wenn Magdalena die Gewichtszunahme ihres Ehemanns an dessen Schnarchgeräuschen abzuschätzen sucht.

Die einzelnen Kapitel von Ameisenmonarchie sind kurz gehalten und das ist gut so, denn das Feuerwerk von Pleschkos pointierter Sprache sollte am besten in kleinen Dosen aufgenommen werden, wie die entspannenden Fettaugen von Magdalenas Salami.

Auch wenn sich das handliche Buch aufgrund der kurzen Kapitel sehr gut als U-Bahn Lektüre eignet, sollte man sich auf strenge Blicke gefasst machen, denn laute Lacher sind beim Lesen garantiert. Ameisenmonarchie ist ein scharfzüngiger, mit Ideen vollgepackter Roman, der nicht nur einen unterhaltsamen Blick hinter die Kulissen der Großstadt wirft, sondern aufgrund zahlreicher unvorhergesehener Wendungen bis zum Schluss nie langweilig wird.


Barbara E. Seidl ist freie Autorin, Literaturwissenschaftlerin und Trainerin für Deutsch und Englisch als Fremdsprache.

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