Er trägt maßgeschneiderte Designeranzüge, das Lächeln ist stundenlang einstudiert, jedes Argument durch Rhetoriktraining perfektioniert mit dem Ziel, die größtmögliche Authentizität zu vermitteln. In seinem neuem Roman widmet sich Elias Hirschl dem aufstrebenden neokonservativen Nachwuchs aus der Sicht eines Mitläufers und glühenden Verehrers des schneidigen jungen Parteichefs und zukünftigen österreichischen Bundeskanzlers. Im Interview erzählt der Autor, wie er sich auf das Schreiben vorbereitet hat, und verrät, warum er selbst lieber keine Sachertorte isst.
Hinter Salonfähig steckt sicherlich einiges an Recherchearbeit. Wie hast du dich auf das Schreiben vorbereitet?
Ich hab vor allem die Politrhetorik- und das Neurolinguistische Programmieren recherchiert, stundenlang Interviews mit PolitikerInnen angeschaut und mich durch alle möglichen Rhetorik-, NLP-, Life-Choaching- und Pick-Up-Artist-Foren gewühlt, um diesen komplett fassadischen, oberflächlichen Duktus zu verinnerlichen. Inhaltlich hab ich noch die Parteiprogramme vieler konservativer/neokonservativer Parteien durchgelesen und einige PolitikerInnen-Biographien.
Selbstoptimierung spielt im Leben des Erzählers eine wichtige Rolle. Hast du auch schon mal vor dem Spiegel das perfekte Lächeln oder eine „offene Körperhaltung“ geübt?
Nein, Gott sei dank nicht. Ich kenne so Selbstoptimierungswahn dann höchstens von Instagram, das man immer das Gefühl hat, man ist der einzige der grad nicht am Strand liegt, weil alle immer nur dann was posten wenns ihnen grade wirklich gut geht. Ich habe eher während dem Schreiben gemerkt, was ich rhetorisch alles falsch mache im Alltag, wo ich unsicher wirke u.s.w. aber ich bin mir dann auch zu faul daran was zu ändern.

Wie auch in Salonfähig beschrieben wird, ist Politik heutzutage noch viel mehr als früher auf Selbstinszenierung aufgebaut. Den Wählerinnen und Wählern wird über Social Media suggeriert immer live dabei zu sein. Politiker werden zu Kultfiguren. Warum, denkst du, sind so viele Leute anfällig für Kulte?
Religiöse Kulte und politische Kulte holen Leute immer in Momenten der Krise ab, weil sie dann empfänglich für einfache Antworten und einfachen sozialen Anschluss sind. Deshalb müssen religiöse wie politische Kulte am laufenden Band Krisen herbeifantasieren, um Menschen einzureden, dass sie von jemandem gerettet werden müssen. Scientology macht gratis „Stresstests“ mit den Menschen auf der Straße und redet ihnen ein, sie hätten eine Depression oder Angststörung und die einzige Heilung wäre ein Schulungsseminar bei ihrem Verein. Und die ÖVP redet den Menschen ein es gäbe eine gigantische Flüchtlingskrise oder das Land liege generell im Argen (obwohl die ÖVP seit 1987 in quasi jeder Regierung beteiligt war und damit selbst am meisten Schuld hätte, wenn irgendwas im Argen liegen würde). Und dann kommt ein strahlender, gehlfrisierter Ritter und verspricht dir, dass er dich in eine bessere Zukunft geleiten wird.
Salonfähig wird gerne mit American Psycho verglichen, einem Roman, der mittlerweile ja auch schon Kultstatus hat. Nerven dich diese Vergleiche, oder war eine Anlehnung an Bret Easton Ellis‘ Buch beabsichtigt?
Ja, Bret Easton Ellis und Chuck Palahniuk waren große Einflüsse auf das Buch und ich habe American Psycho sicher fünfmal gelesen vor und während der Arbeit am Roman, weil die Sprache die Ellis verwendet genauso oberflächlich und trotzdem unterschwellig aggressiv ist, wie ich sie auch in der politischen Sphäre als oberflächlich und aggressiv empfinde. Ellis lässt dann seinen Protagonisten völlig gleichwertig grausamste Gewaltverbrechen und trockene Abhandlungen über Phil Collins musikalischer Karriere nebeneinander erzählen, so wie Karl Nehammer über irgendeine trockene innenpolitische Reform und über „Hilfe vor Ort“ in Afghanistan sprechen kann, als würde es dabei nicht um echte Menschen gehen. Diese Unmenschlichkeit und Gleichgültigkeit in der Sprache war ein großer Einfluss auf das Buch, von Ellis genauso wie von der österreichischen Politik.
Hast du dich für den Erfolg des Buches schon mit einem Stück Sachertorte belohnt?
Nein, ich finde Sachertorte wirklich die fadeste Torte die es in ganz Österreich gibt. Ehrlich gesagt ist es ja nicht einmal eine richtige Torte.
Elias Hirschl wurde 1994 in Wien geboren, wo er als Autor, Poetry-Slammer und Musiker lebt. 2020 erhielt er den Reinhard-Priessnitz-Preis. Bücher u.a.: „Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt“ (Roman, 2016), „Hundert schwarze Nähmaschinen“ (Roman, 2017).