REZENSION Barbara E. Seidl 21. Oktober 2021
Der (neo)konservative Erfolgstyp ist meistens jung, männlich und topgestylt. Er hat auf jede Frage eine ausweichende, geschliffene Antwort und ein offenes Lächeln parat, sowohl Gesten als auch Haare sitzen perfekt. Mit seinem neuesten Roman Salonfähig hat Elias Hirschl den Strahlemännern auf dem politischen Parkett ein bitterböses Denkmal gesetzt.

Er ist der Traum aller Schwiegermütter: Julius Varga das Wunderkind der Partei „Mitte Österreichs“. Der junge Parteichef und zukünftige Bundeskanzler Österreichs ist auch das Idol des namenlosen Erzählers, einem verbissenen Möchtegernpolitiker, der aus der ihm übertragenen Aufgabe, Vargas Blumen zu gießen, einen Staatsakt macht. Doch die minuziöse Pflege der Pflanzen ist erst der Beginn einer immer mehr zur Besessenheit ausufernden Faszination. Stundenlang trainiert er den Gang des Parteichefs, übt dessen „offene Körperhaltung“ und pendelt zwischen Psychotherapeutin und Rhetoriktrainerin auf der Suche nach der größtmöglichen Authentizität.
Elias Hirschls Salonfähig ist böse, gruslig und immer auch erschreckend nahe an der Realität. So hat der Autor etwa das im Roman beschriebene Punktesystem des Parteinachwuchses, bei dem aufstrebende Schülervertreter:innen Punkte für Sex mit Parteifunktionär:innen sammeln können, den Schlagzeilen entnommen.
Auch das Umfeld des Erzählers wird vielen Leser:innen bekannt vorkommen. Fesche, geschniegelte, dauerkoksende Mäderl- und Buberlpartien hatten schließlich schon bei Falco Flair und sollen auch in politischen Funktionen schon mal vorgekommen sein.
Was in der Welt von Hirschls Erzähler zählt, ist vor allem die Hülle, die polierte Oberfläche. Die Selbstoptimierung wird durch neurolinguistische Programmierung ergänzt, mit dem Ziel, das Gegenüber ganz für sich einzunehmen. So ist auch der unaufhörliche Redeschwall der jungen Parteifunktionär:innen nichts als leeres Nebeneinanderherreden, die Dialoge gleichen eher parallel verlaufenden Monologen als wirklichen Gesprächen.
Ähnlichkeiten mit der politischen Realität sind sicherlich beabsichtigt, für die Interpretation lässt der Autor den Leser:innen jedoch ausreichend Spielraum. Auch andere Romane wie Bret Easton Ellis American Psycho oder die Werke Chuck Palahniuks mögen Elias Hirschl inspiriert haben, dennoch ist Salonfähig auch ein sehr österreichisches Buch: sarkastisch, makaber, grotesk.

Wenn sich etwa der Erzähler regelmäßig mit einem Stück Sachertorte für die gute Tat belohnt, dem Bettler vor der Uni 20 Cent gegeben zu haben, schmeckt man die picksüße Glasur fast auf der eigenen Zunge. Und auch jene Leser:innen, die sich nichts aus Torten oder Politik machen, sollten sich Elias Hirschls Salonfähig auf keinen Fall entgehen lassen.