„Mary Pickford hat sich in einer männerdominierten Welt durchgesetzt, das war für mich faszinierend“

Während der Stummfilmära zählte Mary Pickford zu den bekanntesten Gesichtern Hollywoods. Nun hat Emily Walton ihr und ihrer leidenschaftlichen Liebe zu Douglas Fairbanks ein literarisches Denkmal gesetzt. Im Interview verrät die Autorin, was sie an Mary Pickford und den Anfangstagen der Filmindustrie am spannendsten findet und wie sie für ihre Romane recherchiert.

Frau Walton, Sie sind in England geboren und kamen im Alter von acht Jahren nach Österreich. Können Sie sich noch an das erste Buch erinnern, dass Sie auf Deutsch gelesen haben?

Meine Großeltern mütterlicherseits waren Deutsche, somit wurde mir als Kind während der Ferien schon auf Deutsch vorgelesen: Ich erinnere mich gut an Pinocchio und Pippi Langstrumpf. Ich weiß leider nicht mehr genau, welches Buch das erste war, das ich in Österreich gelesen habe, erinnere mich aber, dass ich Bücher von Christine Nöstlinger geliebt habe. Und auch die Sams Bücher von Paul Maar habe ich sehr gerne gehabt. 

Emily Walton wurde 1984 in Oxford, England geboren. Sie hat in Wien Journalismus und Germanistik studiert und arbeitet als freie Journalistin und Autorin. 2016 erschien ihr Debüt, die Romanbiografie »Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte«. Sie wurde mit diversen Stipendien und Preisen ausgezeichnet. Besonders haben es ihr die Geschichten beeindruckender Frauen wie Mary Pickford angetan, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind. Mit ihren Büchern will Emily Walton sie wieder lebendig machen. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Wien.

Ihr neuester Roman, Miss Hollywood – Mary Pickford und das Jahr der Liebe spielt im Hollywood der Stummfilmzeit. Was hat Sie an dieser Ära am meisten fasziniert?

Auf jeden Fall die Pionierstimmung. Der Film war in den 1910er-Jahren noch ein sehr junges Medium, gerade im frühen Hollywood wurde noch viel improvisiert. (Manche der Requisiten mussten die Schauspieler selbst stellen.) Doch die Branche entwickelte sich rasant: Die ersten Stars waren bald „geboren“. Es war eine spannende Mischung aus Abenteuer und Glamour, die sich zwischen den beiden Filmzentren Hollywood und New York erstreckte.   

Mary Pickford war einer der größten und beliebtesten Filmstars Ihrer Zeit. Was machte Sie aus Ihrer Sicht so populär?

Natürlich spielte ihr Aussehen eine große Rolle. Sie hatte eine dunkelblonde Lockenpracht und ein hübsches Gesicht. Ihre Locken wurden sogar von Fans ersteigert. Frauen wollten so aussehen wie Mary, Männer wollten eine Freundin haben wie Mary. Aber es waren letzten Endes ihre Persönlichkeit und ihr Schauspieltalent, die sie wirklich erfolgreich machten. Vor der Kamera legte sie großen Wert darauf, Emotionen so realitätsnah wie möglich zu transportieren. (Bis dahin war im Stummfilm Vieles oft noch überzeichnet.) Geschäftssinn gehörte natürlich auch dazu – Mary Pickford wog genau ab, welche Filme sie machen wollte und verhandelte sich die besten Verträge mit den Filmbossen aus. Sie hat sich in dieser männerdominierten Welt durchgesetzt, das war für mich faszinierend.

Emily Walton, Miss Hollywood. Heyne Verlag, 544 Seiten, 13,90 Euro

Nach Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte ist Miss Hollywood nun Ihr zweiter historischer Roman. Wie darf man sich die Recherchearbeit für Ihre Bücher vorstellen?

Wichtig ist es, die Figuren zum Leben zu erwecken. Einfach nur Biografien zu lesen reicht nicht, denn so ist es schwierig, ein wirkliches Gefühl für die Zeit zu bekommen. Briefe der Protagonisten sind natürlich sehr hilfreich (und bei Mary Pickford natürlich auch ihre Filme), aber um wirklich in die Zeit einzutauchen, muss ich tiefer gehen – muss zum Beispiel herausfinden, was haben Menschen damals gegessen und getrunken, wie haben sie sich gekleidet, welche Musik haben sie gehört,welche Tänze haben sie getanzt, welche Autos sind sie gefahren. Zum Glück bietet das Internet hier viele Recherchemöglichkeiten. 

Könnten Sie sich vorstellen auch einmal einen Roman auf Englisch zu schreiben, oder Ihre eigenen Bücher zu übersetzen?

Nein. Englisch war zwar in meiner Kindheit lange meine Erstsprache und ich lege auch Wert darauf, meine Kinder zweisprachig zu erziehen. Allerdings habe ich den größten Teil meiner Schullaufbahn hier in Österreich absolviert, Deutsch ist somit auf jeden Fall zu meiner Alltags- und „Schreibsprache“ geworden.  Natürlich würde ich mich freuen, wenn meine Bücher auf Englisch übersetzt werden würden. 

Hinterlasse einen Kommentar