PODCAST und REZENSION Barbara E. Seidl, 13. September 2024
Der Kampf für die Natur und gegen Klimakatastrophen ist kein Thema, das uns erst seit kurzem beschäftigt. Bereits vor mehr als hundert Jahren setzte sich der Journalist und Hobbygeologe Joseph Schöffel für die Erhaltung des Wienerwalds ein und schrieb über die negativen Folgen einer drohenden Abholzung zu Gunsten ehrgeiziger Bauvorhaben. Heute ist Joseph Schöffel nur mehr wenigen ein Begriff, doch namentliche Würdigungen wie Schöffelgasse, Schöffelstein und Schöffelpark, sowie drei Denkmäler in Purkersdorf und Mödling erinnern auch heute noch an seine Bemühungen.
In ihrem zweiten Roman, Schattenkühle, hat Barbara Kadletz dem legendären Umweltschützer nun auch ein literarisches Denkmal gesetzt. So trifft der historische Joseph Schöffel im Roman auf seinen in der Gegenwart lebenden Namensvetter Josef Schöffel – mit „f“ geschrieben, um die beiden leichter auseinenderhalten zu können. Josef, mit „f“, hat mit dem anderen Schöffel recht wenig gemeinsam, denn er plant ausgerecht am Rande des Wienerwaldes einen riesigen Glaskubus mitten in das Erholungsgebiet zu bauen. Mit Hilfe dieses „nachhaltigen Büroprojekts“, das eher der Vermarktung dient als der Natur, erhofft sich der Josef Schöffel des 21. Jahrhunderts den Durchbruch als Architekt.

Barbara Kadletz, Schattenkühle. Edition Atlier 2024, 232 Seiten, gebunden.€ 25.
Doch das Bauvorhaben steht still, weil auf der Baustelle ein Vater-Tochter Umweltschützer*innen-Duo kampiert. Obendrein sitzen dem aufstrebenden Architekten der Bürgermeister und die gestrenge Großmutter im Nacken und dann taucht auch noch der historische Joseph Schöffel auf.
In gewohnt heiterem Ton und mit viel Liebe für ihre Charaktere lässt Barbara Kadletz Generationen und Weltanschauungen aneinanderprallen und erinnert uns daran, wie sehr die Vergangenheit die Gegenwart prägt. Die Beobachtungsgabe der Autorin blitzt in vielen kleinen Gesten und Bemerkungen hervor, die die Figuren dreidimensional und bekannt erscheinen lassen. Dass Kadletz auch ihre Leserinnen gut kennt, zeigt sich an den unvorhergesehenen Wendungen, die sie in die Geschichte eingebaut hat.
Mit Schattenkühle ist Barbara Kadletz erschreckend nah am Puls unserer stürmischen Zeit, ihrem charmanten Schmäh und ihrer Erzählkunst ist es zu verdanken, dass die Lektüre dennoch sehr unterhaltsam und erfrischend ist.
Im Podcast Gespräch für Das Litrophon spricht die Autorin über ihre Recherchearbeit für den Roman und erzählt Anekdoten aus dem Leben Joseph Schöffels.
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Über die Autorin:
Barbara Kadletz, geboren 1981, lebt und arbeitet als Buchhändlerin in Wien. Wenn sie nicht die Bücher anderer verkauft, schreibt sie an ihren eigenen Texten oder spricht über Literatur – als Moderatorin, Rezensentin oder in ihrem wöchentlichen Blog »Das Buch zum Wochenende«. Veröffentlichungen von Theaterstücken und Kurzgeschichten. 2. Platz beim FM4-Literaturwettbewerb Wortlaut 2018, Shortlist für den Buchblog Award 2019 & 2020, Bezirksschreiberin Mariahilf (Wien) 2021. Ihr Roman »Im Ruin« (2021, Edition Atelier) war Kandidat für die Hotlist 2021.