Die Grazerin Bettina Messner ist eine literarische Spätzünderin – erst mit über 40 war sie soweit, ihre Texte aus der Schublade zu nehmen und mit der Öffentlichkeit zu teilen – und das mit beachtlichem Erfolg: ihre ersten beiden Erzählbände Senta bremst ein (2014) und Senta gibt Gas (2016), beide erschienen bei edition keiper, erhielten durchwegs sehr positive Kritiken. Nun arbeitet die Autorin an ihrem ersten Romanprojekt mit dem Titel Zufällig Ich.
Frau Messner, Sie sind Kunsthistorikerin und Kulturwissenschaftlerin. Wie kamen Sie zum literarischen Schreiben?
Als Kunstwissenschaftlerin denke ich visuell und sehe Geschichten in Bildern, oft schon filmreif vor mir. Geschrieben habe ich immer schon, aber erst die kunsthistorischen Bildbeschreibungen (man beschreibt genau das, was man sieht, ich habe viele Jahre genau das den Studierenden vermittelt) haben mich inspiriert, auch innere Bilder zu beschreiben, in Texte zu fassen. Die Begeisterung fürs Schreiben hat sich dann also um Methoden ergänzt, die ich seit Jahren immer wieder adaptiere.
Sie haben bereits einige Erzählungen publiziert und nun auch einen Roman geschrieben. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen bei Verfassen eines größeren Buchprojekts?
Ich bin eine, die kurz und prägnant schreibt, gerne rasch auf den Punkt kommt. Deshalb lag es nahe, Erzählungen zu schreiben. Aber die Langform ist eine Herausforderung für mich und fasziniert mich sehr. Die größte Herausforderung für mich ist die Dramaturgie. Ich liebe Plot Twists und überraschende Endungen, schreibe sehr intuitiv, aber bei einem Roman muss man den Spannungsaufbau anders und genauer planen.
Für mich muss es interessant und spannend bleiben, aber die Zwischentöne dürfen nicht vergessen werden. Ich mag ‚Page turner‘ und weniger langatmige Geschichten. Ich schreibe, was ich gerne lesen würde.
Das Problem: ich schreibe nicht ‚für ein Genre‘ und mag es, in keine Schubladen zu passen, aber der Buchmarkt wird immer enger und entwickelt sich gegenteilig. Das Genre ist mittlerweile der zentrale Faktor. Nur, wenn das früher schon so gewesen wäre, gäbe es viele innovative und überraschende Bücher nicht. Keinen Kafka, keine Rowling etc. Was für ein Verlust das wäre! Es fehlt heutzutage die Freiheit des Experimentierens für die Autor*innen. Das gilt gerade auch für noch unbekannte Schriftsteller*innen.
Das Setting Ihres Romans mag auf den ersten Blick vielleicht etwas ungewöhnlich erscheinen. Wie entstand die Idee, eine Seele zur Protagonistin zu machen?
Ich mag das Ungewöhnliche, das eine aus der Komfortzone der Wahrnehmung wirft. Diese Seele war erst in einem Traum präsent und mischte sich dann in eine Geschichte, die gerade entstand. Es ging um eine Frau, die zwischen zwei Männern steht. Die Seele wollte unbedingt in der Geschichte sein. Sie wurde dann so dominant, dass sie zur Hauptfigur wurde. Sie sucht ihre Mutter, um geboren zu werden, was zu Komplikationen führt.
Ich mag ihre unbedarfte Herangehensweise an die Welt, wie wir sie kennen, oder wie wir gelernt haben, sie wahrzunehmen.
Was inspiriert Sie beim Schreiben?
Alles. Beobachtungen des Alltags, die kleinen Dinge, die so passieren und zu Geschichten werden (und die ich oft via Facebook in kurzen Studien beschreibe), meine Erfahrungen, Erinnerungen, auch Träume fließen ein.
Wenn man sich Ihren Lebenslauf ansieht, haben Sie das literarische Schreiben erst relativ spät für sich entdeckt. Haben Sie den Eindruck, dass es Autorinnen jenseits der Dreißig schwerer haben, im Literaturbetrieb Fuß zu fassen?
Ja, auf alle Fälle, da sich die Literaturwelt auf den ‚jungen Nachwuchs‘ stürzt, wobei es Frauen noch einmal schwerer haben. Sie werden vielleicht zuerst gehypt, aber dann schneller fallengelassen. Das hängt eventuell damit zusammen, dass man sich mehr für die Autorin und ihre (jugendliche) Attraktivität interessiert als für das Werk (ihre Intellektualität). Das ist für die jungen Frauen langfristig schlimm, aber die älteren Frauen bekommen oft gleich gar keine Chance. Es ist mir unbegreiflich, dass man das Potenzial von Frauen oftmals einfach nicht beachtet, sie in eine ‚Frauenliteraturecke‘ stellt. Was soll das überhaupt sein? Literatur von Frauen ist sehr vielfältig. Literatur von Autorinnen ist Literatur. Punkt.
Ich habe mich lange nicht getraut, etwas zu veröffentlichen, überhaupt jemandem meine Texte zu zeigen. Erst ab 40 war der ‚Druck‘ nach außen zu gehen, so groß, dass ich es wagte. Ich schrieb ja immer viel und hatte daher viel in der ‚Schublade‘.
Ich war wohl in diesem Alter auch erst reif genug, mich einer Beurteilung zu stellen. Tatsächlich bin ich eher eine ‚Späte‘, die Texte meiner 20er und 30er Jahre waren nicht sehr gut, nicht gut genug für mich.
Was macht literarisches Schreiben für Sie am spannendsten?
Ganz bescheiden: Dass ich Göttin sein kann. 😉 Im Ernst: es gibt für mich nichts Besseres, als ein leeres Dokument zu erstellen und dann eine neue Welt zu erschaffen, zu kreieren.
Als Autorin kann ich im Grunde alles machen und dann stoße ich an meine eigenen Begrenzungen im Kopf. Ich merke, ich bin durch mein Bild von der Welt, durch meine Prägungen begrenzt und will doch darüber hinausschreiben.
Es ist herausfordernd und lehrreich, aber ich kann spielen, entwerfen, alles wieder ändern, neu aufbauen.Die andere Seite ist dann: will der Verlag oder der Buchmarkt sich auf die Geschichte einlassen? Das ist oft schwierig. Ich arbeite ein bis drei Jahre an einem Projekt und dann kann es sein, dass es kompliziert wird, es zu veröffentlichen. Du brauchst sehr viel Geduld und darfst dich nicht verunsichern lassen, auch nicht bei vielen Absagen. Aber: ich kann nicht anders – Texte zu machen, ist meine Passion!
Wer mehr über Bettina Messner erfahren möchte, sollte unbedingt einen Blick auf ihre Facebook-Seite werfen: Bettina Messner – Senta Bremstein