Foto © Birte Filmer
Mit ihrem Debütroman Nincshof führt uns Johanna Sebauer in ein geheimnisumwobenes Dorf an der österreichisch-ungarischen Grenze. Im Interview verrät sie uns ein wenig mehr über dieses verborgene Eckchen des Seewinkels und spricht über die Vorzüge des Landlebens.
Frau Sebauer, im Internet sucht man vergeblich nach Informationen über Nincshof, die über das, was im Buch zu lesen ist, hinausgehen. Können Sie uns vielleicht noch mehr über dieses schöne Dorf an der burgenländisch-österreichischen Grenze erzählen? Wo liegt es denn genau?
In meiner Vorstellung ist Nincshof ein winziges Nest im letzten Zipfel des Seewinkels. Sehr abgeschieden vom restlichen Burgenland, vom restlichen Österreich und überhaupt von der restlichen Welt. Es passiert meist nicht viel in Nincshof. Außer in dem einen Sommer, von dem meine Geschichte erzählt. Da entdeckt die achtzigjährige Erna ihre Abenteuerlust und geht nachts heimlich im Pool ihrer Nachbarin schwimmen, da sorgen Neuzugezogene aus Wien für Wirbel, weil sie mit einer seltenen südamerikanischen Ziegenrasse Touristen anlocken wollen, da entwickeln drei Männer, die sich „Oblivisten“ nennen, einen Plan, der das Dorf in Vergessenheit verschwinden lassen soll.
Warum ist es den Nincshofern so wichtig, dass ihr Dorf ein Geheimtipp bleibt?
Da hat jeder der Oblivisten andere, persönliche Gründe. Aber über allem schwebt die Legende, dass Nincshof schon einmal vor hunderten von Jahren als verstecktes Dorf im Schilf unbemerkt an der Weltgeschichte vorbei gelebt hat. In diese ungestörte Zeit in Freiheit sehnen sie sich, bewusst oder unbewusst, zurück.
Gibt es ein Vorbild für den im Roman geschilderten Aufstand der Oblivisten?
Die Oblivisten wollen Unabhängigkeit erlangen, indem ihr Dorf vergessen wird. Ein konkretes Vorbild hab es nicht. Ich habe die Idee aber oft mit ähnlich absurden Unabhängigkeitsbestrebungen sogenannter „Mikronationen“ verglichen. Zum Beispiel gab es jemanden, der auf einer verlassenen Militärplattform vor der britischen Küste den unabhängigen Staat „Sealand“ ausgerufen hat und dafür gekämpft hat, dass er völkerrechtlich anerkannt wird. Dann gibt es das etwas bekanntere anarchistische Projekt Christiania in Kopenhagen. Ein kleiner Staat im Staat. Im Wiener Prater liegt die „Republik Kugelmugel“. Das sind einfach schön skurrile, ernstgemeinte und weniger ernstgemeinte, Projekte. Mich fasziniert, was Menschen dazu treibt, sich reinzustürzen in einen recht unrealistisch wirkenden Plan.
Im Buch werden einige zeitlose Themen angesprochen, wie etwa Stadt-Land Konflikte, die man als Wienerin sehr schnell zu spüren bekommt, sobald man in ein Dorfgasthaus kommt. Bei Ihnen war es umgekehrt, Sie sind im Burgenland aufgewachsen und leben jetzt in Hamburg. Sehnen Sie sich manchmal zurück ins ländliche Burgenland?
Das kann ich mit einem klaren „Ja“ beantworten. Ich glaube, ich komme jetzt in das Alter, in dem ich für ein ruhiges Leben im Grünen bereit bin. Rasenmähen, Kirschen brocken, Tomaten pflanzen – da sehe ich mich. 😉
Was hat Ihnen beim Schreiben des Romans am meisten Spaß gemacht? Haben Sie eine Lieblingsfigur?
Die oblivistische Philosophie des Vergessen-Werden-Wollens zu entwickeln war am witzigsten. An Absurditäten hab ich einfach einen großen Spaß. Eine Lieblingsfigur hab ich nicht.

Johanna Sebauer, Nincshof. Dumont 2023, 368 Seiten, 23€ (Hardcover)
Der Roman stand unter anderem auch auf der Shortlist für das Hamburger Buch des Jahres. Kann das Burgenland nun mit einem Besucheransturm aus Norddeutschland rechnen?
Haha, das würde den burgenländischen Tourismusverband vermutlich freuen, aber das kann ich nicht versprechen. Auf meinen Lesungen in Deutschland frage ich immer ins Publikum, wer denn schon einmal im Burgenland war und bin überrascht, dass doch sehr häufig zwei, drei Hände hoch gehen. Das Burgenland ist bekannter als ich dachte.