Foto © Minitta Kandlbauer
In seinem Romandebüt Die Rotte bringt Marcus Fischer die beiläufige Brutalität und weitere Abgründe eines Provinzdorfes zutage. Im Interview erzählt er, was ihm beim Schreiben am meisten Spaß gemacht hat und warum es ihm ein besonderes Anliegen war, die richtige Sprache für seine Geschichte zu finden.
„Die Rotte“ ist im bäuerlichen Milieu im Voralpenland angesiedelt. Warum haben Sie, als Großstädter, ein Provinzdorf als Schauplatz für Ihren Roman ausgesucht?
Weil ich meine halbe Kindheit in einem Dorf im südlichen Niederösterreich verbracht habe.
Auch wenn die beschriebene Rotte auf den ersten Blick bloß eine Ansammlung von einigen wenigen Häusern ist, gibt es allerhand Intrigen. Liegt es möglicherweise in der Natur des Menschen, sich und anderen Probleme zu schaffen?
Meiner Erfahrung nach geht es meistens um Macht und um den eigenen „Stand“ in einer Gruppe. Wo stehe ich in der Dorf-Hierarchie? Wer hat das Sagen – unter den Männern, unter den Frauen? Füge ich mich, wenn mir Unrecht geschieht oder wenn ich verletzt werde, oder versuche ich dagegen anzukämpfen? Die Protagonistin wählt zunächst den Weg des radikalen Rückzugs, der in der damaligen Zeit wohl die einzige Möglichkeit für eine Frau war, sich diesen Machtverhältnissen zu entziehen.
Stellenweise ist „Die Rotte“ ziemlich böse und gemein. Hat es bei Schreiben Spaß gemacht, Grenzen zu überschreiten und einmal so richtig fies zu sein?
Ja, es hat Spaß gemacht, das Brachiale, auch das Hinterhältige zu beschreiben, Grenzen zu überschreiten. Aber am schönsten war es beim Schreiben, die Protagonistin aus dieser sehr, sehr finsteren Lage stimmig herauszuführen.
Im Roman finden sich auch zahlreiche österreichische Dialektwörter. Warum war es Ihnen ein Anliegen, Dialektausdrücke zu verwenden und war es schwer, den Lektor, die Lektorin zu überzeugen, diesen Stil zu wählen?
Ich wollte mich der damaligen Sprache, die ich als Kind gehört habe, so weit als möglich annähern. Ihrem Klang, aber auch ihrem Wortschatz. Da ging es zwar auch um Dialektausdrücke, aber vor allem um das österreichische Hochdeutsch, das zusehends verschwindet – d.h. um „Nachtmahl“ statt „Abendessen“, „Eiskasten“ statt „Kühlschrank“, „Begräbnis“ statt „Beerdigung“, „scheppern“ statt „klappern“, „hauen“ statt „schlagen“, „schmeißen“ statt „werfen“ und um „angelaufene“ statt „beschlagene“ Fenster etc. Das war für mich selbst auch eine sprachliche Entdeckungsreise. Die Lektorin hat mich darin eher unterstützt und ermutigt, ich musst niemanden überzeugen.
„Die Rotte“ wurde nicht zuletzt aufgrund des erfrischenden Erzählstils sehr positiv von der Kritik aufgenommen. Wird Ihr nächstes Buch wieder in einem ähnlichen Umfeld spielen?
Nein, aller Voraussicht nach wird der nächste Roman nicht mehr in dieser Umgebung spielen. Nach den 70er Jahren werden jetzt eher die 80er Jahre ausgeleuchtet. Bei der „Rotte“ war zunächst die Sprache da, dann kam erst die Handlung. Und genauso bin ich bei dem aktuellen Projekt zunächst einmal auf der Suche nach einer stimmigen Sprache.
Hier geht es zu unserer Rezension von Marcus Fischers Die Rotte
Markus Fischer, 1965 in Wien geboren, lebt als selbstständiger Texter und Autor in Wien. Er studierte Germanistik in Berlin und arbeitete einige Jahre als Lehrer für Deutsch als Fremdsprache, außerdem als Texter in Berlin und Wien. 2015 gewann er mit »Wild-Campen« den FM4-Kurzgeschichtenwettbewerb.