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REZENSION Barbara E. Seidl 4. April 2022
Sie ist unsichtbar und doch gibt es zahlreiche Indizien, die für ihre Existenz sprechen: Dunkle Materie, das nahezu unaufspürbare Etwas, deren Schwerkraft den Kosmos zusammenhält. Auch in Ursula Knolls Debütroman Lektionen in Dunkler Materie spielen Kräfte, die für die Protagonistinnen nicht (be)greifbar sind und ihre Schicksale doch auf verschiedene Weise miteinander verbinden, eine wichtige Rolle.
Ines ist Sachbearbeiterin für Asylanträge. Eigentlich möchte sie heim zu ihrer kranken Katze, doch sie bekommt immer mehr zusätzlich Anträge von Kolleg*innen aufgehalst. Ihre Mitbewohnerin Milka setzt sich für faire Arbeitsbedingungen in der Lebensmittelindustrie ein aber die in der Branche vorherrschende Profitgier macht es ihr nicht leicht, Veränderungen zum Positiven herbeizuführen. Seitdem sie kein Auto mehr hat, kommt die Alleinerzieherin Heide nach der Arbeit regelmäßig zu spät um ihren kleinen Sohn vom Kindergarten abzuholen und muss sich vor der Kindergärtnerin rechtfertigen, warum sie sich nicht an die Öffnungszeiten hält. Ihre Exfrau, die Astronautin Katalin, wird wiederum auf der Raumstation ISS bei jedem Schritt von einer nervigen KI verfolgt, während auf der Erde ihre Zwillingsschwester Eszter mit Börsenspekulationen die Welt verbessern will.


Während die Frauen in ihrem Alltagstrott gefangen sind, braut sich im ungewöhnlich heißen Sommer langsam etwas zusammen, was das Fass zum Überlaufen bringt. Scheinbar aus dem Nichts flippen sie schließlich aus und machen Dinge, die die Umlaufbahn ihres Lebens nachhaltig ändern wird. Doch das hat durchaus auch etwas Gutes, denn, wie es im einleitenden Zitat von Leonard Cohen heißt: in allem ist ein Riss, ein Spalt, durch den das Licht einfällt. So fügt sich aus einer Vielzahl kleiner Episoden schließlich ein Netzwerk nicht unähnlicher Schicksale zusammen, sind die Protagonistinnen doch alle Frauen, die sich mit ihren Problemen allein gelassen fühlen sich aber nicht mit einer Opferrolle zufrieden geben.
In realistischen Szenen zeichnet Ursula Knoll ein Bild unserer Zeit, in dem der Blick stets auf das Ziel statt auf die Bedürfnisse der Mitmenschen gerichtet ist. Schonungslos spricht Lektionen in Dunkler Materie Missstände in der Gesellschaft an und ist trotz schwieriger Themen dennoch nicht ohne Humor. Die klug konstruierten Geschichten machen jedenfalls Mut, wenigstens zu versuchen, die Welt ein wenig besser zu machen, selbst wenn nicht alles nach Plan läuft.
Ein Gedanke zu „Der Spalt, durch den das Licht einfällt: Ursula Knolls Lektionen in Dunkler Materie“