Über das Mädchen nachdenken: Teresa Präauers „Mädchen“

REZENSION, Barbara E. Seidl 10. März 2022

„Wer über das Mädchen nachdenkt, denkt über Anfänge nach,“ erinnert Teresa Präauer sich und ihre Leser*innen wiederholt in ihrem neuesten Buch Mädchen. Der Text selbst beginnt allerdings mit einem Jungen, der auf seinem Teppich spielt ­– er dient der Autorin, wie bald klar wird, als Ausgangspunkt für ihre Auseinandersetzung mit der Figur des Mädchens, einer Figur, der sie selbst in ihren bisherigen Texten aus dem Weg gegangen war. Zu abschreckend waren die damit einhergehenden Verniedlichungen, die sich bereits in der Bezeichnung „Mädchen“ zeigen, einem Diminutiv, der eine Verkleinerung des Wortes Magd ist.  

Teresa Präauer möchte jedoch, wie sie bereits im Rahmen der Züricher Poetikvorlesung im November 2021 betonte, „Mädchen“ als offenen Begriff verstehen. Das Mädchen wird bei ihr zur Projektionsfläche für persönliche Erinnerungen und literarische Betrachtungen.

Dabei spannt sie den Faden ihrer Überlegungen von einer Reflexion des Begriffs über kulturgeschichtliche Betrachtungen bis hin zu Darstellungen des Mädchens in Kunst und Literatur. Immer auch sind eigene Erinnerungen in den Text miteingeflochten, wobei sich die Autorin der Distanz zwischen damals und heute, dem Mädchen und der erwachsenen Frau, stets bewusst bleibt.

Mädchen ist ein poetischer, verspielter Text, eine reflektierte Auseinandersetzung mit literarischen und philosophischen Betrachtungen, eine Spurensuche, die sich um eine Einordnung der eigenen Erinnerungen vor dem Hintergrund kitschiger Klischees bemüht. Teresa Präauer nimmt ihre Leser*innen einmal mehr mit scharfen Beobachtungen, Heiterkeit und Sprachkunst gefangen – dieses Mal in der Welt des Mädchens, einer Welt, in der es sicherlich noch viel mehr zu erkunden gibt.

Foto (c) Thomas Langdon

Teresa Präauer, geb. 1979, studierte Germanistik und bildende Kunst. Im Wallstein Verlag erschienen die Romane »Für den Herrscher aus Übersee«, »Johnny und Jean« und »Oh Schimmi« sowie der Großessay »Tier werden« und das Geschichtenbuch »Das Glück ist eine Bohne«. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise, unter anderem den aspekte-Preis 2012, den Erich-Fried-Preis 2017 und den Ben Witter Preis 2022. Teresa Präauer lebt in Wien.

Teresa Präauer, Mädchen. Wallstein Verlag 2022, 78 Seiten, € 16,50.

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