REZENSION Barbara E. Seidl 15.05.2023
Auch wenn Carolina „Lina“ und der weltberühmte Architekt Adolf Loos nur kurze Zeit verheiratet waren, wird ihr Werk noch immer von dessen Ruhm überschattet. Zu Unrecht, denn die Schauspielerin und Feuilletonistin war vor ihrer Ehe bekannter als ihr Ehemann und galt als scharfsinnige Beobachterin und pointierte Kritikerin ihrer Zeit.
Der Wiener Verlag Edition Atelier hat in den letzten Jahren zwei Bände von Lina Loos neu aufgelegt, Du silberne Dame du (2016) und Das Buch ohne Titel (2013), beide herausgegeben von Adolf Opel.
„Man muss nur den Mut haben, alles auf die Spitze zu treiben! Wer ausweicht, weicht sich selbst aus und wer sich selbst ausweicht, der findet sich nicht.“
Wie die Textsammlung Das Buch ohne Titel beweist, ist sich Lina Loos stets treu geblieben. Der Realität ist sie dabei nie ausgewichen, vielmehr hat sie das Leben mit einer gesunden Portion Humor betrachtet. In ihren kurzen unterhaltsamen Texten zeigt sich eine starke unabhängige Frau, die so gar nicht dem Bild entspricht, dass sich ihr um viele Jahre älterer Architektengatte bei seiner ersten Begegnung mit der damals Neunzehnjährigen wohl machte. Lina ließ sich von der, damals noch hauptsächlich den Männern vorbehaltenen, Aura des intellektuellen Künstlers nicht beirren und setzte ihr ironische Texte wie „Die Weltlage Neunzehnhundertfünfunddreißig gesehen durch den bildungsfreien Blick einer Frau“ entgegen.
Das Buch ohne Titel ist eine erfrischend uneitele Lebenschronik, reich an unterhaltsamen Anekdoten.So verweist Lina Loos etwa auch auf ihre Namensvetterin Anita Loos, eine so ausgezeichnete Schriftstellerin, dass niemand auf die Idee kommen würde, sie mit ihr zu verwechseln.

Lina Loos, 1882 in Wien geboren, 1950 ebenda gestorben. Nach nur kurzer Ehe mit dem Architekten Adolf Loos Karriere als Schauspielerin und Kabarettistin an renommierten Bühnen u.a. in Wien, Berlin und New York. Ab 1904 regelmäßig journalistische und literarische Veröffentlichungen in diversen Magazinen und Zeitungen. Sie engagierte sich in der Frauen- und Friedensbewegung, war Vizepräsidentin des Bundes demokratischer Frauen und ein Mitglied des Österreichischen Friedensrates.Foto © Edition Atelier

Lina Loos, Das Buch ohne Titel. hrsg. und mit einem Vorwort von. Adolf Opel. Edition Atelier, 2013.296 Seiten, €24
Selbstverständlich ist dies eine mit Augenzwinkern bemerkte Untertreibung, denn auch Lina ist eine Meisterin ihres Handwerks. Dabei nimmt sie sich kein Blatt vor den Mund.
Ganz gleich, ob sie über ihre Literaten-Freunde schreibt oder auf Wendepunkte ihres Lebens zurückblickt, Lina Loos versprüht dabei stets eine wohltuende Leichtigkeit und ganz viel Wiener Charme.
Ich bin Österreicherin durch und durch; im Zentrum der Stadt Wien geboren und in der Stephanskirche getauft. Das Leben hat mich später etwas an die Peripherie der Stadt gedrängt, aber sonst geht es mir ganz gut.
Mit ihren in Das Buch ohne Titel versammelten Kurztexten, erstmals erschienen wenige Jahre vor dem frühen Tod der Autorin, hat Lina Loos uns wertvolle Zeitzeugnisse aus dem Blickwinkel einer selbstbestimmten Frau hinterlassen. Schön, dass sie uns in dieser liebevollen Gestaltung von neuem zugänglich gemacht wurden.