REZENSION Barbara E. Seidl 16. Juli 2022
Die Welt um uns ist ständigen Veränderungen ausgesetzt. Dabei wird automatisiert und optimiert. Wer nicht mithalten kann, bleibt auf der Strecke.
In ihrem neuen Roman Atemhaut lässt uns die Wiener Autorin und Filmemacherin Iris Blauensteiner am Innenleben eines jungen Mannes teilhaben, der sich stark über körperliche Arbeit definiert. Umso schlimmer trifft es Edin, als er seinen Job bei einem Logistikunternehmen verliert, weil er sein Arbeitspensum nicht mehr im gewünschten Tempo bewältigen kann.
Einfühlsam beschreibt die Autorin Edins Empfindungen anhand seiner sensitiven Wahrnehmungen, so etwa auch wie er mithilfe von Computerspielen unterdrückte Emotionen auslebt.
Geschrieben ist Atemhaut in der Du-Perspektive, ein Kunstgriff, durch den die Lesenden direkt angesprochen werden, der aber auch, wie die Autorin betont, Edins Eigenwahrnehmung im Sinne eines Dialogs mit sich selbst zum Ausdruck bringt.


Atemhaut regt zum Nachdenken an. Zum einen über den Raum, den Maschinen in unserem Leben einnehmen und die Möglichkeit, die sich daraus ergeben. Zum anderen führt der Roman aber auch die Dringlichkeit vor Augen, sich wieder mehr auf sich selbst zu besinnen, auf die eigene Wahrnehmung und die Reaktionen des Körpers zu achten.
Abgerundet wird Iris Blauensteiners Roman durch einen von Rojin Sharafi komponierten Soundtrack, der den Beschreibungen körperlicher Erfahrungen metallische Klänge gegenüberstellt. Der Soundtrack ist über QR-Codes im Buch abrufbar. Darüber hinaus treten die beiden Künstlerinnen auch bei Lesungen in Form von Literatur/Sound Performances auf.
Atemhaut ist ein sehr gelungenes multisensorisches Buch, dessen ungewöhnlicher und feinfühliger Ton auf leicht zugängliche Weise in hohe literarische Sphären entführt.