Der Klimawandel ist in aller Munde und auch die Literatur setzt sich sich zunehmend mit diesem Thema auseinander. In ihrem Jugendroman All that’s left zeichnet Sarah Raich mögliche Zukunftsszenarien. Dabei ergibt sich ein dystopisches Bild. Im Interview erzählt die Autorin, was sie dazu bewogen hat, sich mit diesem Thema zu befassen, welche klimabedingten Veränderungen sie bereits bemerkt hat und wie sie für ihren Roman recherchiert hat.
Foto © Jakob Berr
Cli-Fi, also dystopische Literatur über die Auswirkungen des Klimawandels findet man im deutschen Sprachraum noch relativ selten. Was hat Sie dazu bewogen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen?
Das war im Anfang des Jahres 2017 und eine sehr individuelle, aber auch nicht extrem bewusste Entscheidung. Damals, vor Fridays for Future, hatte ich den Eindruck, dass das Thema sehr wenig Öffentlichkeit erfährt, mir machte das aber Sorge und recherchierte. Eigentlich mit der Hoffnung herauszufinden, dass alles vielleicht nicht so dramatisch sei wie ich dachte. Ich fand natürlich das Gegenteil heraus. Dann beschäftigte ich mich immer mehr damit, wie ein Mensch eigentlich mit solchen Extremsituationen umgeht. Ein Gedanke, der mich schon bestimmt 20 Jahre begleitete spielte dann da hinein: Was passiert eigentlich mit einem Menschen, wenn er komplett abgeschottet von der Welt lebt. Aus diesem gedanklichen Urschlamm zwischen Klimawandelrecherche und psychologischer Extremsituation entstand dann nach und nach All that’s left.
All That’s Left ist ein Jugendroman, wird sicherlich aber auch viele junggebliebene Erwachsene ansprechen. Stellt das Schreiben für junge Leser:innen eine besondere Herausforderung dar?
Ich habe mich nicht bewusst entschieden, einen Jugendroman zu schreiben, sondern nach vielleicht 100 Seiten gedacht: Hm, das ist doch ein Jugendroman. Und ich glaube, das war gut, denn ich will für Jugendliche nicht anders schreiben. Inhaltlich ist das wieder etwas anderes. Da ist es wichtig, Hoffnungen Raum zu geben, Figuren zu schreiben, denen Jugendliche nahekommen können. Darauf zu achten, dass das im Rahmen bleibt, dafür gibt es die spezialisierten Lektor*innen, und im Fall von All that’s Left meine sehr jugendbucherfahrene Agentin Silke Weniger, die mir einige Hinweise gab, was in einem Buch für Jugendliche wichtig ist.

Der Großteil der Handlung ist im Gebiet zwischen Süddeutschland, Tirol und Salzburg angesiedelt, die Täler sind größtenteils komplett zerstört während es in den Bergen noch vereinzelt Pflanzen und Tiere gibt. Sehen Sie jetzt bereits Hinweise, dass sich die Natur in diesen Regionen verändert?
Wer aufmerksam in den Bergen ist, wird sehen, dass die Besiedelung oft von Feinheiten abhängt. Wie zb. Schutz vor Wind / Sonne. Wasser, das ausreichend vorhanden ist. Deshalb macht es für mich absolut Sinn, dass es hier und da lange im wörtlichen Sinne Nischen geben wird, wo Tiere und Pflanzen weiter überleben.
Und ja, der Klimawandel macht sich besonders durch verstärkte Erosionen bemerkbar. Und ich denke, dass das ein Effekt ist, den wir bisher unterschätzen. Denn es geht nicht nur darum, dass durch fehlenden Baumbestand und abgetragene Erde weniger wächst, es können tatsächlich ganze Berghänge ins Rutschen geraten. So weit sind wir natürlich noch nicht. Aber die ersten Zeichen sind zu sehen.
Besonders dramatisch ist übrigens der Klimawandel im Harz. Der als Mittelgebirge in einer von Trockenheit stark betroffenen Region liegt. Die Alpen haben deutlich mehr Wasser. Im Harz kann man sehen, wie schnell ganze Wälder sterben, wenn Niederschläge ausbleiben.
Wie haben Sie für das Buch recherchiert?
Ich habe sehr viel über Klimawandel gelesen, die Effekte. Außerdem habe ich mich mit psychischen Ausnahmesituationen auseinandergesetzt, allerdings konnte ich darauf aufbauen, dass mich Robinsonaden und Geschichten über so genannte „Wolfskinder“ schon immer sehr fasziniert haben. Die Region wiederum ist mir schon sehr vertraut gewesen. Aber fürs Schreiben hatte ich eigentlich immer eine Karte neben mir, um die Wege genau nachvollziehen zu können. Der einzige erfundene Ort ist das Luxus-Chalet in den Alpen. Obwohl es den bestimmt irgendwo genau so gibt.
Mittlerweile gibt es ja viele verschiedene Initiativen um auf die Gefahren des Klimawandels hinzuweisen. Welche Rolle kommt dabei, Ihrer Meinung nach, der Kunst bzw. der Literatur zu?
Ich als Schriftstellerin tue mir mit einer Rollenzuschreibung naturgemäß schwer. Aber ganz grundsätzlich macht Kunst und Literatur Raum im Kopf für Gedankenspiele, gibt Anstöße, setzt Impulse. Und genau diesen Raum im Kopf brauchen wir, wenn wir uns mit solchen Umwälzungen wie dem Klimawandel als Spezies auseinandersetzen wollen.
Sarah Raich wurde 1979 geboren und ist im ländlichen Niedersachsen und Tirol mit viel Weite und Natur aufgewachsen. Sie studierte in Berlin Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften und arbeitete danach als Kreative in Agenturen. Sie lebt mit ihrer Familie in München, hat aber noch ein Stück ihres Herzens in Berlin und San Francisco.In ihrem Romandebüt »All that’s left« geht es um Aufbruch und Reise einer starken jugendlichen Heldin in einer zerstörten Welt.