Seicht und schön. Irene Diwiaks Guilty Pleasures

REZENSION Barbara E. Seidl, 14. Jänner 2022

„Guilty Pleasures“ ist einer jener Ausdrücke, die sich nicht übersetzen lassen. Trotzdem steht hinter dem Begriff ein Gefühl, das auch hierzulande die meisten kennen. Wer hat nicht das eine oder andere Faible, das man, peinlich berührt, lieber für sich behält. Wer schaut nicht heimlich Reality Shows, liest Schundromane oder summt hin und wieder einen Schlager unter der Dusche.

„Guilty Pleasures“ sind Produkte der Unterhaltungsindustrie, über deren Niveaulosigkeit gesellschaftlicher Konsens herrscht – und die man trotzdem liebt.

Irene Diwiak, Guilty Pleasures

Irene Diwiaks pointierte Texte gehören jedenfalls sicherlich nicht zu besagten „Guilty Pleasures“, denn obgleich sie allerhand Vergnügen bereiten, muss sich die Lesende deshalb nicht schuldig fühlen. In acht großartigen Kurztexten setzt sich die Autorin mit heimlichen popkulturellen Vorlieben auseinander, wobei sie diese etwas überspitzt, in gewohnt ironisch-kritischer Manier darstellt.

Irene Diwiak, geboren 1991 in Graz, aufgewachsen in Deutschlandsberg, Studium der Judaistik, Slawistik und Komparatistik in Wien. Nebenher viel Theater, auf und hinter der Bühne. Ihr Debütroman „Liebwies“ erschien 2017 bei Deuticke (Taschenbuchausgabe 2019 bei Diogenes) und stand auf der Shortlist für den Debütpreis des Österreichischen Buchpreises. Ihr zweiter Roman „Malvita“ erschien im September 2020 bei Zsolnay. 2023 wird ihr dritter Roman bei C.Bertelsmann erscheinen.
Irene Diwiak, Guilty Pleasures. Edition Kürbis 2021, €20.

So wirft sie etwa in der Kurzgeschichte „Stars in Streifen“ einen bitterbösen Blick auf Reality Shows, die aus Quotengier B-Prominenz nachgestellten Extremsituationen aussetzen und dabei den Zuschauern eine Realität vorgaukeln, die sie gleichzeitig auch verfälschen und verharmlosen. In einer anderen Geschichte wird eine Kleinstadt-Schule in Aufruhr versetzt, weil die Idealbesetzung für eine der Hauptrollen im Musical „Hair“ Kopftuchträgerin ist.

Guilty Pleasures, das unter anderem auch Irene Diwiaks FM4-Wortlaut-Siegertext „Glück ist ein warmes Gewehr oder Wie ich Paul McCartney erschoss“ enthält, ist wie eine Kuriositätensammlung, in der popkulturelle Phänomene auf unterhaltsame Weise entlarvt werden. Und wer weiß, ob sich nicht auch unter den Leser:innen ehemalige Tokio Hotel Fans befinden. Oder, welche Guilty Pleasures haben Sie?

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