REZENSION Barbara E. Seidl, 14. Jänner 2022
„Guilty Pleasures“ ist einer jener Ausdrücke, die sich nicht übersetzen lassen. Trotzdem steht hinter dem Begriff ein Gefühl, das auch hierzulande die meisten kennen. Wer hat nicht das eine oder andere Faible, das man, peinlich berührt, lieber für sich behält. Wer schaut nicht heimlich Reality Shows, liest Schundromane oder summt hin und wieder einen Schlager unter der Dusche.
„Guilty Pleasures“ sind Produkte der Unterhaltungsindustrie, über deren Niveaulosigkeit gesellschaftlicher Konsens herrscht – und die man trotzdem liebt.
Irene Diwiak, Guilty Pleasures
Irene Diwiaks pointierte Texte gehören jedenfalls sicherlich nicht zu besagten „Guilty Pleasures“, denn obgleich sie allerhand Vergnügen bereiten, muss sich die Lesende deshalb nicht schuldig fühlen. In acht großartigen Kurztexten setzt sich die Autorin mit heimlichen popkulturellen Vorlieben auseinander, wobei sie diese etwas überspitzt, in gewohnt ironisch-kritischer Manier darstellt.


So wirft sie etwa in der Kurzgeschichte „Stars in Streifen“ einen bitterbösen Blick auf Reality Shows, die aus Quotengier B-Prominenz nachgestellten Extremsituationen aussetzen und dabei den Zuschauern eine Realität vorgaukeln, die sie gleichzeitig auch verfälschen und verharmlosen. In einer anderen Geschichte wird eine Kleinstadt-Schule in Aufruhr versetzt, weil die Idealbesetzung für eine der Hauptrollen im Musical „Hair“ Kopftuchträgerin ist.
Guilty Pleasures, das unter anderem auch Irene Diwiaks FM4-Wortlaut-Siegertext „Glück ist ein warmes Gewehr oder Wie ich Paul McCartney erschoss“ enthält, ist wie eine Kuriositätensammlung, in der popkulturelle Phänomene auf unterhaltsame Weise entlarvt werden. Und wer weiß, ob sich nicht auch unter den Leser:innen ehemalige Tokio Hotel Fans befinden. Oder, welche Guilty Pleasures haben Sie?