REZENSION Barbara E. Seidl 13. November 2021
Seit dem 18. Jahrhundert erfreuen sich Vampire einer schier unsterblichen Beliebtheit. Einst als vermeintliche „Vampirepidemie“ sogar Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen und als Bedrohung für das aufgeklärte Denken angesehen, haben die untoten Beißer als literarische und filmische Gestalten auch heute noch nichts an Faszination eingebüßt.
Doch was steckt hinter dem Phänomen Vampir? In seinem Langessay Vampire! Schattengewächse der Aufklärung. Über uns aufgeklärte Menschen im Angesicht der Un-Toten untersucht der Literaturwissenschaftler Andreas Puff-Trojan den Mythos Vampir auf drei Ebenen: historisch, literarisch und philosophisch.
Mitte des 18. Jahrhunderts verbreitet sich die Kunde, dass im Südosten Europas lebende Tote Menschen angefallen hätten. Schon bald werden Abordnungen gesandt, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Von Anfang an wird dem Mythos Vampir mit einer Mischung aus Skepsis, Faszination und Neugierde begegnet.
Was vor allen die ersten Vampirgeschichten gemeinsam haben, ist, dass sie alle an den Rändern des habsburgischen Reichs vorkommen – vor allem in Serbien und Transylvanien – und sich, angeheizt durch eine sensationslustige Presse in ganz Europa wie ein Lauffeuer verbreiteten.
Andreas Puff-Trojan, geboren 1960 in Wien. Studium der Germanistik, Philosophie und Logik. Universitätslektorate in Budapest und Paris. Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten, 2003 Dozent an der Universität Osnabrück, momentan Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Kulturjournalist. Zahlreiche Veröffentlichungen in deutscher und französischer Sprache.

Schattengewächse der Aufklärung. Über uns aufgeklärte Menschen im Angesicht der Un-Toten, Sonderzahl 2021, 144 Seiten, € 18
Anhand zahlreicher Berichte zeichnet Puff-Trojan den Erfolgszug des Vampirs nach und zeigt, wie die Kraft der Fantasie, die diesen Mythos zum Leben erweckt hat, auch bald Schriftsteller dazu inspiriert, sich mit dem vampirischen Treiben auseinanderzusetzen. Schließlich, wie Puff-Trojan seine Leser:innen erinnert, lebt die Literatur von der Kraft der Einbildung.
Spätestens seit Joseph Thomas Sheridan Le Fanus Carmilla (1872) und Bram Stokers Graf Dracula (1897) wurde der Vampir zu einer Kultfigur.
Die Phantasie, die Vampirgeschichten bei der Leserschaft freisetzen, ist für den technisch-naturwissenschaftlichen Geist, für die fortschrittsgläubig-aufgeklärte Gesinnung eine Seuche, die sich nicht mit medizinischen Mitteln vernichten lässt.“
Andreas Puff- Trojan, Vampire! Schattengewächse der Aufklärung
Anhand der Philosophien von Ludwig Wittgenstein und Martin Heidegger untersucht Puff-Trojan das Spannnungsverhältnis von Aberglaube und Vernunft und kommt zu dem Schluss, dass es sich bei Vampiren gewissermaßen um Schattengewächse der Aufklärung handelt.
„Als Untoter ist er eigentlich der Einzige, der innerhalb der Aufklärung uns immer noch an den Tod erinnert.“
Andreas Puff- Trojan, Vampire! Schattengewächse der Aufklärung
Vampire! Schattengewächse der Aufklärung bietet einen spannenden Überblick über die Wirkungsgeschichte des Vampirglaubens. Als Sinnbild des Unheimlichen, der uns unsere eigene Sterblichkeit vor Augen führt, ist seine Anziehungskraft auch heute – man denke nur an die vielen Vampirfilme und Serien – noch ungebrochen. Ein Band, der viel Wissenswertes aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und trotz seiner wissenschaftlichen Ausrichtung auch unterhaltsam zu lesen ist.