„Das Format der Graphic Novel ermöglicht einen direkteren Zugang zur Geschichte“

Foto: privat

In Peršmanhof erzählt Evelyn Steinthaler die Geschichte eines der letzten NS-Verbrechen an der kärntner-slowenischen Zivilbevölkerung, aber auch vom schwierigen Überleben und Weiterleben an diesem fast vollständig zerstörten Ort. Im Interview erklärt die Autorin, welche Möglichkeiten das Format der Graphic Novel bei der Aufarbeitung dieses schwierigen Themas bietet.

In Peršmanhof beschreiben Sie eines der letzten NS-Verbrechen an der kärntner-slowenischen Zivilbevölkerung. Worin sehen Sie die Vorteile des Comicformats bzw. der Graphic Novel, um so ein schwieriges Thema aufzuarbeiten?

Das Format der Graphic Novel ermöglicht einen direkteren Zugang zur Geschichte und gewährt auch Menschen, die keine ausgeprägten Lesegewohnheiten haben oder sich mit Endphaseverbrechen, wie dem Massaker am Peršmanhof, noch nicht beschäftigt haben eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Anči Sadovnik und der Brutalität der NS-Regimes in den letzten Tagen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa.

Die Graphic Novel möchte, wie die Historikerin Lisa Rettl im Nachwort unterstreicht, auch eine pädagogische Aufgabe übernehmen und wurde an Kärntner Schulen präsentiert. Wie wurde Peršmanhof bei den jüngeren Leser:innen aufgenommen?

Die pädagogische Aufgabe des Buches war von grundsätzlicher Bedeutung für mich. Das Buch wurde aber nicht nur an Schulen in Kärnten präsentiert, es gab auch Workshops dazu und in einem Gymnasium war die Peršmanhof Graphic Novel Maturathema im Fach Geschichte. Ich kann mich sehr gut an die Buchpräsentation im Klagenfurter Musil Haus erinnern, da waren die ersten drei Reihen voll mit jungen Menschen, die der Veranstaltung sehr aufmerksam gefolgt sind. Das hat mich natürlich, da ich ja das Buch mit einem Auge auf junges Publikum entwickelt und geschrieben habe, sehr gefreut.

In Österreich wurden Graphic Novels lange Zeit nicht ernstgenommen, nun setzten sie sich auch hierzulande langsam durch. Wie sind Sie zur Graphic Novel gekommen?

Ich finde die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen des Erzählens sehr spannend und nach mehreren sehr unterschiedlichen Veröffentlichungen (inkl. eines Hörbuches), dachte ich mir, dass eine Graphic Novel eine spannende Form der Auseinandersetzung sein könnte. Hinzu kam, dass ich bei einem Paris Aufenthalt von der Vielfalt und den Möglichkeiten von Comics und Graphic Novels in Frankreich immens überrascht und begeistert war.

Lesen Sie selbst auch gerne Comics?

Ja, sehr gerne. Und ich lese nicht nur zeitgeschichtliche Comics und Graphic Novels.

Peršmanhof sticht nicht zuletzt auch dadurch hervor, dass der Band ausschließlich aus Frauenhand entstanden ist. An sich sollte das ja nicht extra erwähnt werden müssen und dennoch sind weibliche Comickünstlerinnen in den Medien weniger präsent als ihre männlichen Kollegen. Woran liegt das? 

Das liegt vor allem am patriarchalen System, in dem wir leben, heißt: von den Medien werden Comics und Graphic Novels Frauen noch immer nicht in dem Ausmaß zugetraut, wie ihren männlichen Kollegen. Dabei gibt es unglaublich tolle, ja maßgebliche Comic-Künstlerinnen, denken Sie nur an Barbara Yelin, Marjane Satrapi, Anke Feuchtenberger oder Liv Strömquist. Die Comic- und Graphic Novel Verlage haben schon längst verstanden, welche großartige Comic-Künstlerinnen es gibt, jetzt müssen es nur noch auch die Medien kapieren.


Evelyn Steinthaler, geb. 1971 in Celovec/Klagenfurt, Studium an der Uni Wien, Autorin und Übersetzerin. Für das Buch Frauen 1938 Auszeichnung mit dem Bruno-Kreisky-Anerkennungspreis für das Politische Buch. Weitere Veröffentlichungen: Morgen muß ich fort von hier (Biografie von Richard Tauber, Milena Verlag 2011), Nicht nur in Worten, auch in der Tat (Hörbuch mit Käthe Sasso, Supposé, 2019). Zuletzt erschien ihre Übersetzung von Austria – A Soldier’s Guide, Peršmanhof (Bahoe Books, 2018) und Mag’s im Himmel sein, mag’s beim Teufel sein. Stars und die Liebe unter dem Hakenkreuz (Kremayr und Scheriau, 2018)

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