„Musik ist in meinem Leben sehr wichtig und ich höre auch beim Schreiben viel Musik“

Der Amerikaroman hat in der österreichischen Literatur eine lange Tradition. Kafka, Handke, Roth – viele der großen männlichen Autoren haben den USA bereits ein literarisches Denkmal gesetzt. In ihrem neuen Roman Alles von mir nähert sich Christina Maria Landerl dem vermeintlichen Sehnsuchtsort nun aus feministischer Perspektive und hat dabei unter anderem  Bessie Smith, Nina Simone, Patsy Cline oder June Carter im Ohr.

Wie würden Sie Ihre ersten Eindrücke vom „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ beschreiben?

Ich war mehrmals in den USA, immer an unterschiedlichen Orten, und immer nur für ein paar Wochen. Die Stadt New York, der Mittlere Westen, New England oder die Südstaaten – das sind natürliche unheimlich unterschiedliche Gegenden, von denen ich jeweils nur ein paar – meist sehr touristische – Eindrücke bekommen habe.

Und doch gibt es Dinge, die sich immer ähneln, das habe ich auch in Alles von mir in manchen Beschreibungen festgehalten; besonders auffällig ist das, wenn man, wie ich das gern tue, mit dem Auto viele Meilen durch die Staaten fährt: Die Hotelketten, die Diners und Coffeeshops. Die Unterhaltungen mit Fremden, die Freundlichkeit im täglichen Umgang. Das Essen, die Autobahnschilder, die Bars. Das alles hat eine Gleichförmigkeit und einen Wiedererkennungseffekt, der gleichzeitig trist und tröstlich ist für mich.

Und dann gibt es natürlich die fast sprichwörtlichen Gegensätze in den USA, zwischen Stadt und Land, Arm und Reich, Schwarz und Weiß – die mir gerade in den Südstaaten auch sehr ins Auge gefallen sind.

Wir allen kennen die USA aus zahlreichen Spielfilmen, die einerseits den amerikanischen Traum, andererseits aber auch viele weniger schöne Seiten des Landes zeigen. Schwingen diese Bilder nicht immer auch irgendwie mit, vor allem wenn man bekannte Orte besucht?

Das ist eine Frage, die mich schon seit Jahren beschäftigt. Ich finde es immer wieder interessant zu bemerken, wie ich und wie wir wahrscheinlich alle an solchen Orten immer damit beschäftigt sind, medial vermittelte Bilder mit der vorgefundenen Realität abzugleichen. Oft habe ich das Gefühl, wenn ich einen Ort wie zum Beispiel Memphis besuche, ihn bereits mit einer Art Filter wahrzunehmen, weshalb das, was ich sehe, nur eine Mischung aus erinnerten Filmen und Songs und dem Ort, wie er sich mir gerade darstellt, sein kann.

Ähnliches passiert aber, denke ich, auch Besucher:innen in Wien und Berlin: Unsere medial geprägten Erwartungen beeinflussen unsere Wahrnehmungen.

Christina Maria Landerl geboren 1979 in Steyr / Oberösterreich. Sie lebt und arbeitet als Schriftstellerin und Sozialpädagogin in Berlin. Für ihre Prosa erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, zuletzt das Arbeitsstipendium des Berliner Senats für das vorliegende Buchprojekt. Ihr viel beachtetes Debüt Verlass die Stadt erschien 2011 (Schöffling&Co). Im Müry Salzmann Verlag erschien 2016 der Roman Donnas Haus.

In Alles von mir gibt es zahlreiche Lied-Zitate und auch eine eigenen Spotify-Playlist. Hören Sie selbst Musik während des Schreibens?

Musik ist in meinem Leben sehr wichtig und ich höre auch beim Schreiben viel Musik – im Fall meiner letzten beiden Romane bewusst fast immer auch die, die in den Büchern eine Rolle spielt. In der Vorbereitung von Alles von mir habe ich mich außerdem recht ausführlich mit Jazz, Blues und Country und der Geschichte dieser Musikstile auseinandergesetzt, vor allem mit deren weiblichen Protagonistinnen; dabei habe ich vieles entdeckt, was ich noch nicht kannte. Ein Teil davon hat Eingang in „Alles von mir“ gefunden, und somit in die Playlist.

Der Amerika-Roman hat in der österreichischen Literatur ja eine lange Tradition. Haben Ihnen während des Schreibprozesses Werke anderer Literat:innen zur Inspiration beziehungsweise zur Abgrenzung gedient?

Alles von mir ist tatsächlich schon mein zweiter Amerikaroman; davor erschien mit Donnas Haus ein Buch, das in gewisser Weise eine Anti-Roadnovel ist und am Rand einer nicht benannten amerikanischen Stadt, genauer gesagt, in einem Einfamilienhaus und dessen Vorgarten, spielt. Alles von mir ist gewissermaßen eine befreiende Antwort auf diesen fast klaustrophobischen Roman, in dem unter anderem amerikanische Ikonen wie Simon and Garfunkel und die Waltons wichtige Rollen spielen.

Abgesehen davon entstand Alles von mir tatsächlich als eine Art weibliche, feministische Version des österreichischen Amerikaromans, wobei ich mich vor allem an Peter Handkes Roman Der kurze Brief zum langen Abschied orientiert habe.

Die USA galten lange Zeit als Ideal und Auswanderer-Wunschziel Nummer eins. Hat sich dieses Bild aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren gewandelt?

Meiner Wahrnehmung nach werden die USA in Österreich und Deutschland sehr kritisch gesehen, auch schon vor Trumps Präsidentschaft, aber seither natürlich verstärkt; ich würde in

vielen Fällen sogar von Antiamerikanismus sprechen. Ich wurde auch schon oft gefragt, warum ich denn in die USA fahre, was daran interessant sei.
Mich fasziniert das Land, unter anderem als ein Ort aus und für Fiktionen, der es für uns, die wir so viele Hollywoodfilme gesehen haben, fraglos ist. Daher kommt wahrscheinlich auch meine Lust, meine Erzählungen dort anzusiedeln, sie in einen Raum zu heben, der realistisch und gleichzeitig weit genug weg ist von meiner eigenen Realität.

A propos Hollywood: Ich war noch nie in Kalifornien – da möchte ich auf jeden Fall noch hin. Mein nächster Roman spielt aber – nach derzeitigem Stand – in Österreich.

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