REZENSION 31. Juli 2021 Barbara E. Seidl 2021
Es gibt Geschichten, die sind wie ein Lied. Während des Lesens ertappt man sich dabei, wie man einen Rhythmus, eine Melodie mitsummt. Im Fall von Wolfgang Pollanz‘ Kurzgeschichten-Band Wie ein Rabe ist der Sound bereits vorgegeben.
Nicht weniger als sechsundsechzig berühmte Songs der Popgeschichte dienten dem Autor, Musiker und Herausgeber des Labels pumkin records für Wie ein Rabe als Vorlage und Inspiration. Für alle, die mitsingen möchten, hat Pollanz eine Playlist zusammengestellt – doch Vorsicht: einige der Songs wird man so schnell nicht wieder los. Genauso verhält es sich im Übrigen auch mit Pollanz‘ Geschichten. Die Song-Stories führen wie ein literarisch-musikalischer Roadtrip quer durch die USA und erzählen von Hoffnungen und verlorenen Träumen. Dabei vermitteln sie Stimmungen und Emotionen mit ergreifender Eindringlichkeit.


Die Geschichten der teils bemitleidenswerten, oft aber auch ausgesprochen fiesen Charaktere gehen nahe, vielleicht auch weil ihre Schicksale so nahe am Leben sind.
Die Stories sind minimalistisch gehalten, wie die Sequenzen eines Jim Jarmusch Films. Pollanz beweist, dass auch zwei, drei Seiten ausreichen, um eine gute Geschichte zu erzählen. Begleitet von den Mordballaden Nick Cave’s, durchleben die Leser:innen mit Lana del Rey einen traurigen Sommer, steigen mit Joni Mitchell in ein großes gelbes Taxi und treffen um vier Uhr morgens Ende Dezember Leonard Cohen.
Wolfang Pollanz‘ Wie ein Rabe ist die perfekte Begleitung für einen verregneten Sommernachmittag. Ein Buch, das man nicht mehr weglegen möchte und dann doch ein wenig traurig ist, wenn es schließlich zu Ende ist.

Barbara E. Seidl ist freie Autorin, Literaturwissenschaftlerin und Trainerin für Deutsch und Englisch als Fremdsprache.