Im Jahr 2008 wurde mit Incentives ein gemeinsames Projekt des Literaturhaus-Buchmagazins und der IG Übersetzerinnen Übersetzer in Zusammenarbeit mit der Europäischen Literaturplattform readme.cc gestartet. Zwei Mal im Jahr stellt Incentives – Austrian Literature in Translation eine repräsentative Auswahl von
Neuerscheinungen österreichischer AutorInnen vor. Ziel ist es dabei, Impulse für die Übersetzung und Veröffentlichung neuester österreichischer Literatur im Ausland zu setzen. Mehr zur Entstehungsgeschichte dieses großartigen Projekts und auch darüber, wie österreichische Literatur am internationalen Buchmarkt wahrgenommen wird, im Interview mit Sabine Schuster und Nadja Grössing.
Incentives wurde 2008 in Kooperation mit der Europäischen Literaturplattform readme.cc ins Leben gerufen. Welche Idee steckt hinter diesem Projekt?
Das Ziel von INCENTIVES ist, Lust auf die aktuelle österreichische Literatur zu machen und Verlagen Anreize zu bieten, diese in Fremdsprachen zu übersetzen. Das passiert nämlich viel zu wenig.
Das Projekt entstand 2008 als Kooperation des Literaturhaus-Buchmagazins und der IG Übersetzerinnen Übersetzer mit der internationalen Leseplattform readme.cc. Seit 2015 sind die Übersetzungen auf der Website des Literaturhauses abrufbar.
Die ausgewählten Bücher werden mit einer Kurzrezension, einer Leseprobe und mit biografischen Informationen zu den Autor*innen und Übersetzer*innen auf Deutsch und in mehreren Fremdsprachen vorgestellt. Neben Englisch, Französisch und Spanisch gibt es eine vierte wechselnde Übersetzungssprache, bisher Ungarisch, Tschechisch, Türkisch und aktuell Serbisch. Wir arbeiten immer wieder mit anderen renommierten Übersetzer*innen österreichischer Literatur zusammen. Dahinter steht der Gedanke, mit dem Projekt auch einen Pool an Übersetzer*innen österreichischer Literatur zu schaffen, auf den Verlage zurückgreifen können.
Nach welchen Kriterien suchen Sie die präsentierten Bücher aus?
Wir wählen aus den Neuerscheinungen, die wir im Online-Buchmagazin des Literaturhauses präsentieren wollen, drei bis vier Titel aus, die ein besonders spannendes Thema behandeln und/oder eine besondere künstlerische Position einnehmen – kurz gefasst, es müssen Titel sein, die spontan das Interesse wecken und auch für eine fremdsprachige Leserschaft relevant bzw. verständlich sein können.
Einerseits soll unsere Auswahl Österreich repräsentieren, andererseits nicht nur aus berühmten Autor/inn/en bestehen, denn diese sind ja bereits international bekannt.
Wir versuchen daher, auch jüngere Schreibende und Texte abseits des Mainstreams über die Sprachgrenze hinaus sichtbar zu machen. Immer wieder ist auch ein Debütroman dabei, seltener experimentelle Texte, weil es auch um die Frage geht, welche Chance ein Text hat, in fremdsprachige Buchmärkte Eingang zu finden. Die Buchmagazin-Redaktion und die IG Übersetzerinnen Übersetzer haben in dieser Hinsicht manchmal unterschiedliche Blickwinkel, die sich aber auch ergänzen. Der Anspruch ist einerseits, die aktuelle österreichische Literatur in ihrer Bandbreite zu zeigen, andererseits die Übersetzung im Auge zu behalten. Dieses Spannungsfeld ist bei der Auswahl immer wieder ein Thema, das wir diskutieren.

Nun ist es ja immer noch so, dass englischsprachige Literatur den internationalen Buchmarkt dominiert. Wie wird österreichische Literatur aus ihrer Sicht im Ausland wahrgenommen?
Die österreichische Literatur in ihrer Vielfalt wird international leider zu wenig wahrgenommen. Das war einer der Gründe dafür, Incentives zu starten. Übersetzt werden überwiegend und immer wieder die „großen Namen“ wie Musil, Bachmann oder Jelinek. Vor allem die neuere Literatur bleibt, selbst wenn sie erfolgreich ist, weitgehend auf den deutschen Sprachraum beschränkt, Übersetzungen kommen nur vereinzelt zustande.
„Die österreichische Literatur gilt als die kleine wilde Schwester der deutschen“, schreibt der Literaturkritiker Anton Thuswaldner in einem Essay, sie neige dazu, „über die Stränge zu schlagen“. In der österreichischen Literatur diene eine Geschichte meist dazu, „auszuprobieren, wozu Wörter gut sind“. Diese Literatur sei voller Sprachkritik und Ironie, und das Erzählen gelte seit der „Wiener Gruppe“ als suspekt.
Diese Analyse findet sich nicht zufällig auf der Webseite der Österreich-Bibliotheken im Ausland.* Wenn österreichische Literatur überhaupt in ihrer Eigenheit wahrgenommen wird, dann also bestenfalls als exzentrisch. Das ist natürlich ein Hindernis sowohl für die Autor/inn/en als auch für die Übersetzer/innen und Verlage, die ihre Bücher schließlich an ein größeres Lesepublikum verkaufen wollen.
Dabei tut diese Einschätzung vielen jüngeren österreichischen Autor/inn/en unrecht und ist ganz einfach überholt. In unserer INCENTIVES-Auswahl finden sich zahlreiche Texte, die weit über den lokalen Tellerrand hinausschauen und für deren Verständnis man weder Österreicher/in noch Literaturwissenschaftler/in sein muss. „Wozu Wörter gut sein können“, bekommt man darin ganz nebenbei serviert. Auf gut österreichisch: als „Zuwaage“.
* http://auslandsösterreicherinnen.at/oesterreich-bibliotheken
Konnten Sie durch Ihr Engagement bereits ein gesteigertes Interesse an der Übersetzung österreichischer Literatur bemerken?
Da der Sprung in den fremdsprachigen Markt schwierig ist, reagieren Autor*innen und Verlage durchwegs positiv auf das Projekt. Soweit wir das mitverfolgen können, kommen über die Vermittlung von Incentives immer wieder Übersetzungen zustande. Von seiner Kapazität her hat das Projekt nicht die Möglichkeit, die Übersetzung österreichischer Literatur auf breiter Basis zu steigern, das ist von vielen Faktoren abhängig. Im großen Getriebe des Buchmarkts ist es aber ein Rädchen, das bewusste Impulse setzt, eben Incentives.
Incentives ist nicht zuletzt auch eine Plattform für Übersetzer*innen österreichischer Literatur. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen beim Übersetzen? Gibt es in der Regel auch Rücksprache mit den Autor*innen, etwa betreffend der Titelwahl?
Das Thema der Herausforderungen beim Übersetzen ist ein weites Feld.
Bei Menschen, die sich mit Übersetzung noch nie bewusst beschäftigt haben, ist das Erstaunen oft groß, dass das Ergebnis des Übersetzungsprozesses nicht vom Original her genau definiert ist. Wenn zwei Personen denselben Text in dieselbe Sprache übersetzen, werden verschiedene Übersetzungen herauskommen – mit mehr oder weniger großen Unterschieden –, und beide können dem Original gerecht werden. Beim Übersetzen von Literatur sind ständig Entscheidungen zu treffen: Wie gebe ich ein Wort wieder, einen Stil, einen Dialekt, was mache ich mit Wortspielen, um nur ein paar der möglichen Fragen, die ein Text aufwerfen kann, zu nennen. Das Übersetzen von Literatur ist eine komplexe Tätigkeit, aber das ist ja auch das Spannende daran.
Die Übersetzungsentscheidungen werden in der Regel von den Übersetzer*innen getroffen, wobei knifflige Fragen auch mit dem/der Lektor*in diskutiert werden. Bei der Übersetzung der Titel wird versucht, die Essenz davon wiederzugeben, was unter Umständen zu überraschenden Ergebnissen führt. Wird ein Buch publiziert, wird auch nach anderen Kriterien entschieden.
Nadja Grössing (IG Übersetzerinnen und Übersetzer)
Sabine Schuster (Literaturhaus Buchmagazin)