Vom Unsinn politischen Ansinnens: Katharina Tiwalds Macbeth Melania

GASTREZENSION, Nicole Thurn 30. August 2020

Nicole Thurn ist freie Journalistin, Literaturfreundin, Expertin für New Work und Herausgeberin von Newworkstories.com – das Blogzine für die neue Arbeitswelt. 

Wahlkampf 2017 in Österreich. Es könnte heiß werden. Die rote Partei sucht – ein Schelm, der Böses denkt –  sich selbst und nach innovativen Ansätzen. Dem „me-too“-induzierten PR-Mann Mike Knutkovsky aus Deutschland wird gar von der Parteispitze zugetraut, ganz ohne ösihafte „Schau ma mal“-Attitüde in piefkonischer Tacheles-Direktheit die „Hinterwäldler“ der SPÖ zu beraten. Bald erhält er die zweifelhafte Aufgabe, in einer ehemaligen Eisenwarenhandlung das neue „Universum“ eines sozialistischen Bezirkstheaters zu erschaffen. Dieses heißt natürlich auch so und will für das geneigte Wahlvolk standesgemäß bespielt werden. Flugs landet „Knutschkovksy“ in den Fängen der erfolgsdarbenden Theaterstückschreiberin Katharina Tiwald – „ein gescheitertes Exemplar Mensch“, deren bisherige Theaterstücke nie über Kleinbühnen hinausgekommen sind und deren einziger Roman in einem Verlag erschienen ist, der zwecks Unwirtschaftlichkeit von Romanen Abstand genommen hat.

Knutkovsky begibt sich mit der glücklosen Schreiberin nicht nur in die Niederungen der schmuddeligen Parteipolitik, sondern auch ins Tiwaldsche Kreativhirn, das mehr oder minder ehrgeizgepackt und branchenkonform Shakespeares Macbeth-Drama in den US-amerikanischen Politwahnsinn implantieren will. Oder umgekehrt. Trump soll den schottischen Kriegsführer Macbeth geben, die zwischen Trauer- und eiskalte-Engel-Blick switchende Melania soll als Lady zum „Werkzeug des Meuchelmords“ am König werden.

Während beide, Tiwald und Knutkovsky, also über Sinn und Unsinn dieses Ansinnens sinnieren, ruckelt der österreichische Wahlkampf so dahin. Am Ende wird heftig inszeniert, mit Reinhold Mitterlehner als gemordeten König Duncan. Wie könnte es anders sein, ist die österreichische Politik doch durchaus shakespearetauglich. 

Gespickt mit frechen Bonmots und zahlreichen Anspielungen auf politische Skandale, Affären und Korruptionspossen konstruiert Katharina Tiwald ein brisantes Panoptikum österreichischer (Theater-)Kultur und Parteipolitik. Dass die Autorin nicht nur Lady Macbeth und Konsorten in die US-Politshow, sondern auch sich selbst – inklusive Schreibblockade und in unfromme Peinlichkeit abgleitende Flirtversuche – ins Drama der Polit-Interessen verpflanzt, ist originell, aber nutzt sich mit der Zeit doch etwas ab.

Schauplätze sind unter anderen das kriegsgräuelbestückte Bezirksmuseum, die halbprivate Gartenparty des Koalitionspartners und diverse Kaffeehäuser, in denen Knutkovksy und Tiwald über ihren dramatischen Ideen brüten. Manchmal etwas bemüht, manchmal etwas beliebig, aber jedenfalls wortgewitzt und bitterböse-bildmächtig ist „Macbeth Melania“ lesenswert für alle, die etwas mehr ins absurd-gefährliche Polit-Theater zwischen PR, Pannen und Parteizentrale eintauchen wollen. 

Was Tiwald wohl mit einem Ibiza-Skandal à la Shakespeare anstellen würde, das ist hier die Frage. Ein Sommernachtstraum, der für die Protagonisten zu viel Lärm um nichts mutiert und mit einem Hamlet-Strache, der auf Rache sinnt, endet?

Foto: Milena Verlag 2020

Katharina Tiwald, Jahrgang 1979, ist im Südburgenland aufgewachsen und studierte Sprachwissenschaft und Russisch. Ihr Erzählband Schnitte-Portraits-Fremde erschien 2005 Seitdem sind zahlreiche Theaterstücke, Kurzgeschichten und Artikel entstanden. „Macbeth Melania“ ist im Februar 2020 im Milena Verlag erschienen.


Das Buch:

Katharina Tiwald, Macbeth Melania, Roman, Milena Verlag 2020, 143 Seiten, 22 Euro.

www.milena-verlag.at

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