Foto © Bogenberger | Text von Irene Diwiak
Astrid Lindgren darf natürlich in keinem Kinderbuchregal fehlen. Mein absoluter Liebling war aber nicht etwa Pippi Langstrumpf oder Michel von Lönneberga, sondern Madita. Madita ist ein Mädchen aus reichem Hause, das als typische Lindgren-Figur nicht immer brav ist, sondern frech und abenteuerlustig. Dabei ist sie vor allem aber auch ein genuin guter Mensch. Sie greift ein, als die Lehrerin die proletarische Mitschülerin verdreschen will, schenkt ihr begehrtes Ticket für einen Jahrmarktsrundflug an den armen Nachbarsjungen weiter, und als sie einmal im Lotto gewinnt, zögert sie nicht, mit der Gewinnsumme den Körper der mittellosen Nachbarin zurückzukaufen, die diesen nämlich vorsorglich für die Zeit nach ihrem Ableben an ein medizinisches Institut verscherbelt hat und so niemals ein richtiges Begräbnis bekommen hätte (das waren damals noch ordentliche Kinderbuchthemen).
Ich habe schon länger nicht mehr in das Buch hineingeschaut. Vielleicht fände ich es heute ein bisschen moralinsauer. Oder würde mich über den unwidersprochenen Klassizismus ärgern. Aber vielleicht darf man sich gerade zur Weihnachtszeit auch einfach an dem Altruismus eines kleinen Mädchens erfreuen und sich daran erinnern, warum sie einen damit einst so beeindruckt hat.

Irene Diwiak, geboren 1991 in Graz und in der Steiermark aufgewachsen, ist eines der großen Erzähltalente ihrer Generation. Für ihre literarischen Texte sowie ihre Theaterstücke wurde sie vielfach ausgezeichnet. Ihr Debütroman »Liebwies« (2017) stand bereits auf der Shortlist für den Debütpreis des Österreichischen Buchpreises. Es folgten ihre Romane »Malvita« sowie »Sag Alex, er soll nicht auf mich warten«.