REZENSION Katharina Peham, 19. September 2022
Dass meine Oma für ihre eigene Leistung Respekt und Anerkennung verdient hätte, kam ihr nicht in den Sinn, auch nicht, als sie das Geschäft an ihren Sohn übergab. […] Und so fiel nie jemanden auf, dass das Lebenswerk meines Vaters auf einem Fundament stand, das von Frauen geschaffen wurde.
Die Oma der Ich-Erzählerin, Eva, führt ein kleines Geschäft, das den Söhnen der Familie übergeben wird und schließlich größer und erfolgreicher wird. Siebzig Jahre später stirbt der Erstgeborene von Eva. Dessen Tochter Katharina erfährt, dass Eva nicht nur zwei Söhne hatte, sondern auch eine Tochter, die im Kindesalter verstarb. Katharina macht sich auf die Suche nach dem Verbleib ihrer Tante, da das Grab als verschollen gilt. Evas Enkelin stößt bei der Recherche auf unerwartete Ergebnisse.
In Rückblende erzählt, erfährt man von Evas Leben mit ihrem Mann Anton, den Tod ihrer geliebten Tochter Gabriele, den Umzug in ein neues Dorf, schließlich die Auflösung des Kindergrabes. Das Schweigen über das Sterben und die Nachwehen des Zweiten Weltkrieges lässt Eva komplett verstummen. Erst die Möglichkeit auf ein Geheimnis erlaubt es ihr, den Schmerz und das Leid etwas zu vergessen und erneut eine Stimme zu finden. Auch Evas Enkelin Katharina versucht der Ungerechtigkeit der Geschlechterverhältnisse zu entkommen und eine Sprache für die Frauen ihrer Familie zu finden.
Nach dem Tod ihres Mannes sei ihr Leben in zwei Teile zerfallen: in ein Leben davor und in ein Leben danach.


Knieschecks Roman zeichnet sich vor allem durch die Beschäftigung mit der geschlechtsspezifischen Auseinandersetzung mit dem Tod aus. Während die Frauen in der Familie von Tod, Wut und Trauer erfüllt sind und eine Zäsur in ihrem Leben verspüren, verdrängen die Männer jegliche Gefühle und versuchen in den gewohnten Alltag zu finden. Knieschecks schreibenden, beruflichen Hintergrund vernimmt man auch in der Art der Roman-Konzeption: Auf Abfolgen und Tatsachen Bezug nehmend, orientiert sich der Roman chronologisch an der zeitgeschichtlichen Binnenhandlung am Leben der Eva und webt dabei die relevanten Personen für die sehr dünn gehaltene Rahmenhandlung ein. Besonders am Ende würde man sich über ein satteres Gegengewicht zur sehr tiefen, fundierten Ausgestaltung der Binnenerzählung wünschen. Kniescheck lässt zudem die Lesenden im Dunkeln, ob es sich bei „Eva & Söhne“ um eine biografische Konstruktion handelt, oder als narrative Biographiearbeit verstanden werden will, die reale Aussagen und Geschehnisse fiktiven Personen zuordnen möchte.
Was diesem Debütroman zweifelsohne gelingt, sind Gefühlsbeschreibungen und eine nahbare, bildhafte Darstellung. Kniescheck zeichnet ein sehr vielschichtiges, diverses Frauenbild, das sich gut in die jeweilige Zeit einbettet. Sie vergisst dabei nicht, auf Sorgearbeit einzugehen und den geleisteten „Mental Load“ von Frauen in die Erzählung einzuflechten:
Sie fühlte sich so leer und schwer, dass sie den Kopf am liebsten auf die Tischplatte gelegt hätte und eingeschlafen wäre.
Ebenso zeichnet sich das Buch durch den unübersehbaren Innviertler Lokalkolorit aus, welchen man sanft eingestreut durch Dialektausdrücke und Gerichte vorfindet.
Hat dies auf rebloggt.
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