Von außen betrachtet erscheint das Leben einer Autorin, eines Autors, paradiesisch: Geschichten schreiben, Lesereisen, Aufenthaltsstipendien an pittoresken Orten. Doch was für junge, ungebundene Schriftsteller:innen nach einem idealen Lebensstil klingen mag, wird für Autor:innen mit Anhang zur logistischen Herausforderung. Wie ergeht es schreibenden Eltern? Um auf die Benachteiligung von Autor:innen, die Care-Arbeit leisten, sich also um Kinder und Ältere kümmern, hinzuweisen, haben sich in den letzten Jahren einige Initiativen zusammengefunden. So etwa auch das Kollektiv „Other writers need to concentrate„. Im Interview sprechen Katharina Bendixen, Barbara Peveling, Sibylla Vricic Hausmann und David Blum über ihr Bemühen, auf die Bedürfnisse schreibender Eltern aufmerksam zu machen und den Literaturbetrieb familienfreundlicher zu gestalten.
Wie ist die Idee zu eurer Seite entstanden?
Die Grundidee kam von einer Ausgabe der Literaturzeitschrift „poetin“, die im Herbst 2018 zum Thema Autorschaft und Elternschaft erschien, herausgegeben von Carolin Callies. Katharina hat für die Ausgabe die Prosaseiten zusammengestellt.
Wir waren zu dritt – Sibylla, David, Katharina – ohnehin schon immer im Gespräch darüber, was das Kinderhaben mit unserem Schreiben macht, sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Im Jahr 2019 wurde Katharina dann in kurzer Zeit von mehreren Aufenthaltsstipendien, die ihr eigentlich zugesagt wurden, wieder ausgeladen, weil sie nicht ohne ihre zwei Kinder anreisen wollte. Das gab den Impuls, einen gemeinsamen Blog einzurichten, und daher kommt auch der Name, denn in einer dieser Absagen hieß es: „And sorry to tell you that we do not accept little kids as it really troubles other writers who need to concentrate.“
Wir haben im Dezember 2019 dann Autor*innen angefragt und sind im Februar 2020 mit zunächst 20 Blogautor*innen online gegangen. Inzwischen sind es fast fünfzig Blogautor*innen, und Barbara ist zur Redaktion hinzugestoßen.


© Katharina Bendixen

© Carole J.

© Dirk Skiba
Was macht Other writers need to concentrate?
Einerseits versuchen wir die Sichtbarkeit des Themas zu erhöhen bzw. überhaupt erst einmal darauf hinzuweisen – hier gibt es ein Problem, beispielsweise dass Autor*innen mit Kindern und auch anderweitig Sorgetragende systematisch aus der Förderstruktur im deutschsprachigen Raum ausgeschlossen sind. In einigen Blogtexten geht es darum, und wir sprechen auch in digitalen Lesungen darüber, waren bereits in einigen Literaturhäusern zu Gast und interviewen einmal monatlich einen Menschen aus dem Literaturbetrieb dazu, welche strukturellen Probleme er*sie wahrnimmt.
Neben der Förderstruktur, die CARE-Arbeit einfach nicht mitdenkt – als müsste sie es nicht (!) –, gibt es aber auch ein inhaltliches Problem, nämlich dass literarische Texte über Elternschaft häufig nicht ernstgenommen werden – sie werden als privat oder banal abgetan. Das hat viel mit der Abwertung jener gesellschaftlichen Bereiche und Tätigkeiten zu tun, die noch immer eher Frauen* zugeschrieben werden. Mit patriarchalen Strukturen und Denkweisen also. Wir versuchen da gegenzusteuern, indem wir u.a. an die other writers Schreibimpulse versenden. Daraus entstehen Textreihen, beispielsweise zum Kinderwunsch, zur Geburt, aktuell ein Brief an den Vater in Kooperation mit dem Réseau des Autrices.
Außerdem geht es uns um die Vernetzung, um den Austausch, sowohl interdisziplinär, durch eine monatliche Reihe zur Elternschaft in der bildenden Kunst, kuratiert von Marcia Breuer von Mehr Mütter für die Kunst, als auch durch Treffen untereinander. Es ist schade, dass wir wegen Corona immer noch kein analoges Treffen machen konnten. Dafür ist aber inzwischen ein digitaler Lektoratstreff entstanden, bei dem sich rund zehn other writers einmal monatlich auf Zoom treffen, um intensiv neue Texte zu besprechen.
Warum ist es so wichtig, mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen?
Weil Elternschaft eben kein privates Thema ist, sondern ein politisches! Wer geht in Elternzeit, wann gebe ich mein Kind in Betreuung und wohin, wie kann ich mein Arbeitsleben organisieren, in welchen Zusammenhängen lebe ich oder möchte ich leben – das sind wichtige Fragen, über die es viel mehr Gespräche geben sollte, auch außerhalb des Literaturbetriebs. Zudem sind Care- und Lohnarbeit, Reproduktion und Produktion, eng miteinander verknüpft – und damit die entsprechenden Probleme und Fragestellungen. Fürsorgearbeit im Sinne des weiter gefassten „Care“-Begriffes geht definitiv alle etwas an. Was bestimmt das Gesicht einer Gesellschaft mehr als die Weise, wie ihre Mitglieder miteinander verbunden sind, wie sie zueinanderstehen und sich umeinander kümmern (für Geld/ohne Geld). Oder auch nicht kümmern … Das hat sich in der Pandemie ein weiteres Mal gezeigt.
Wo gibt es eurer Meinung nach den größten Nachhol-/Verbesserungsbedarf?
Unserer Meinung nach wäre es innerhalb des Literaturbetriebs der wichtigste Ansatz, Autor*innen mit Kindern auf die Weise zu fördern, die ihnen entspricht: Sie sollten selbst entscheiden, ob sie mit oder ohne Kinder auf Aufenthaltsstipendien gehen wollen oder ob sie am liebsten mithilfe eines Werkstipendiums in ihrem gewohnten Umfeld an ihren Texten arbeiten. Autor*innen mit Kindern, pflegebedürftigen Verwandten usw. müssen in die Lage versetzt werden, ohne finanzielle Nöte an den Texten zu arbeiten, die sie schreiben wollen – egal zu welchem Thema. Dafür müssen die entsprechenden Strukturen geschaffen werden. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Es ist etwa organisatorisch aufwändiger für Institutionen, „gestückelte“ Stipendienaufenthalte zu erlauben und gut zu takten, wenn Autor*innen auf Grund von Care-Verpflichtungen ihr gewohntes Umfeld nicht für längere Zeit verlassen können oder wollen. Und natürlich ist es erst einmal ein finanzieller Aufwand, Räumlichkeiten barrierefrei und kinderfreundlich einzurichten und Betreuungsmöglichkeiten für Angehörige von Stipendiat*innen zu organisieren. Neue Konzepte für Begegnungen in den Literaturhäusern/Stipendiumsorten müssen ganz allgemein geschaffen werden. Aber so utopisch es anmuten mag: Es führt kein Weg daran vorbei, wenn Literaturförderung nicht Förderung einer kleinen Splittergruppe unter den Schreibenden bleiben will. UND wir sehen das als Schritt in die richtige Richtung. Denn es braucht allgemein mehr gesellschaftliche Verantwortung füreinander. Nicht als Gerede, sondern als Veränderungen in Strukturen, Institutionen, Gesetzen. Und außerhalb des Literaturbetriebs ist es wahrscheinlich immer noch die Aufteilung der Care-Arbeit, bei der es den größten Nachholbedarf gibt. Der gesellschaftliche Beitrag von Autor*innen liegt dabei darin, neue Narrative zu schaffen. Literarische Texte können zu einer geistesgeschichtlichen Entwicklung beitragen, die neue Möglichkeiten überhaupt erst denkbar macht. Es gibt einen Blogtext von Clemens Böckmann, in dem er sich damit auseinandersetzt, ob es möglich ist, als Mann zu stillen, und er fordert: Brüste mit Milch für alle! Dem schließen wir uns an.