ohneohren: Das Abenteuer Kleinverlag

Grit Richter, Ingrid Pointecker und Michael Sterzer auf der Phantastika in Oberhausen 2017

Ingrid Pointecker lebt ihren Traum: mit ohneohren hat sie 2013 ihren eigenen Kleinverlag gegründet. Zunächst mit Fokus auf verschiedene Bereiche der Phantastik, verlagerte sie den Schwerpunkt im Vorjahr auf Science Fiction und Dark-/ Urban Fantasy. Dabei schreckt die Verlegerin auch vor „unbequemen“ Themen nicht zurück und möchte auch Autorinnen in der Phantastikszene sichtbarer machen.

„ohneohren“ ist ein etwas ungewöhnlicher Name für einen Verlag. Gleichzeitig wird man auch sofort neugierig und möchte wissen, was hinter diesem Namen steckt.

Der Name kommt vom Abschied vom Elfenohr (oder auch Orkohr). Als ich 2013 den Verlag gegründet habe, wollte ich recht früh klarmachen, dass wir „andere Phantastik“ machen, weg von der Weltrettungsepik, abseits der klassischen Fantasy-Völker und mit einer speziellen Ausrichtung.

Der Schwerpunkt von ohneohren liegt auf Science Fiction und Dark-/Urban-Fantasy. Was ist für Sie persönlich das Faszinierende an diesen Genres?

Mit Science-Fiction-Literatur bin ich aufgewachsen – vor allem mit den Klassikern Bradbury, Le Guin und Lem. Dark und Urban Fantasy kamen in meiner Jugend dazu, sind bis heute fixe Lesepunkte für mich. Die Faszination liegt für mich darin, im oft Banalen das Bedrohliche zu entdecken. Der drohende Weltuntergang an sich ist nichts, was mich aus den Socken katapultiert, den kennen wir schon. Wie die Menschen (oder Wesen) in den Geschichten darauf reagieren, das ist das Spannende. Unbekannte Welten sind für mich weniger Eskapismus, sondern mehr ein Spiegelbild für Ungesagtes, Unerhörtes und die zahllosen Tabus, die andere Genres oft nicht ansprechen (oder auf eine Art, die ich persönlich nur begrenzt spannend finde).

Ich lese aber auch sehr viel aus anderen Genres, wobei ich die Schubladisierung nicht immer ideal finde. Science-Fiction kann vieles sein – nicht nur die Dinge, die klassischerweise unter dem Label laufen. Dort, wo die Grenzen zwischen Genres verschwimmen, fühle ich mich dann richtig zu Hause.

Fotos: David Knospe

ohneohren ist ja quasi eine One-Woman-Show. Nun gibt es sicherlich viele, die von einem eigenen Verlag träumen. Auf der anderen Seite ist von Verlagssterben und Umsatzrückgängen die Rede. Ist es heutzutage noch empfehlenswert, es trotzdem zu versuchen? 

Wenn die Leidenschaft da ist – ja. Klar, die Branche hat ihre Probleme, die eigenen Stolpersteine als Unternehmer:in kommen dann noch dazu. Trotzdem ist es die schönste Berufung der Welt, wenn man für Bücher brennt. Verlagssterben und Umsatzrückgänge haben auch viele Facetten, kein Verlag ist wie der andere. Gerade, um eine gewisse Vielfalt für Leser:innen zu haben, würde ich mir mehr junge Unternehmer:innen wünschen, die trotz aller Widrigkeiten etwas Leben in die Verlagswelt bringen möchten.

Wie darf man sich den Alltag als Verlegerin vorstellen?

Puh, das ist langweiliger, als man denken mag. Der Wecker klingelt zwischen sechs und halb sieben, bis vierzehn Uhr gehe ich meinem Brotberuf im Sozialbereich nach. Ab fünfzehn Uhr sitze ich bis in die Abendstunden an meinem Schreibtisch, lektoriere, koordiniere Neuerscheinungen und andere Verlagsdinge (oder beantworte Interviewfragen). Mittlerweile arbeite ich sonntags aber kaum noch (außer etwas Neues erscheint am Montag), der Samstag gehört meistens der Marketing-Planung für die kommende Woche.

Es ist aber kein Tag wie der andere. Und das macht den Reiz am Verlag auch aus.

Am 1. November erschien „Sanguen Daemonis“ von Anna Zabini (Urban Fantasy mit Wienbezug), Mitte November folgen „Die Blätter des Herbstbringers“ von Fabienne Siegmund in einer Neuauflage und „Geschichten aus dem Keller“ (Anthologie).

Infos dazu: 

https://www.ohneohren.com/die-blaetter-des-herbstbringers

https://www.ohneohren.com/sanguen-daemonis

https://www.ohneohren.com/geschichtenausdemkeller

Eines Ihrer Anliegen ist das Sichtbarermachen von Autorinnen in der Phantastikszene. Gibt es hier einen Nachholbedarf? 

Definitiv. Vor nicht allzu langer Zeit haben deutschsprachige Science-Fiction-Autor:innen für ihre Sichtbarkeit auf Wikipedia gekämpft. Dabei ging es in erster Linie um die Entstehung einer eigenen Liste für nicht-männliche Autor:innen. Das Ganze wurde als „nicht relevant“ abgetan, es entbrannte eine hitzige Diskussion. Wenn Autor:innen auf einer Plattform, die selbst dem Bauchnabelfussel einen eigenen Artikel widmet, nicht relevant genug sind, haben wir da noch viel zu tun.

Es gibt durchaus auch bekannte Autoren (absichtlich ungegendert) in der Phantastik, die sich öffentlich hinstellen und sich über jegliche Veränderung in der Szene beschweren. Manche leise, andere fordern laut, auch einmal Minderheiten in ihren Büchern mit Schmähbegriffen benennen zu dürfen – einfach, weil sie es können. Unter meinen Autor:innen finden sich mittlerweile sehr laute Stimmen, die mehr Diversität und Fairness in der Szene fordern. Darauf bin ich sehr stolz. Gute Bücher zu schreiben ist schon anstrengend genug, die meisten müssten sich nicht für solche Anliegen einsetzen. Aber sie tun es – und sie werden immer lauter, in ihren Büchern und abseits davon.


Ingrid Pointecker, geboren 1986 im sehr ländlichen Oberösterreich, lebt seit 2004 in Wien. Eigentlich ist sie Linguistin, hat aber bereits als Brautkleidverkäuferin, Verkehrszählerin und in vielen anderen kuriosen Professionen gearbeitet. Sie schreibt unter dem Pseudonym Mia Faber selbst, verlegt wird sie aber von anderen, nicht im eigenen Kleinverlag.

Mit ihrer Kollegin Grit Richter vom Art Skript Phantastik Verlag betreibt sie einen Podcast namens PhanLiTa (Der phantastische Literatur-Talk), in dem es um das Leben als Verlegerin und schöne Dinge rund um das phantastische Büchermachen geht: https://phanlita.wordpress.com

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