REZENSION Barbara E. Seidl 11. Juli 2021
Während hierzulande im alltäglichen Leben eine große Sprachenvielfalt gelebt wird, ist diese in literarischen Werken relativ wenig präsent. Umso schöner ist es, wenn auch „kleinere“ Sprachen gefördert werden und den ihnen gebührenden Platz innerhalb der österreichischen Literatur einnehmen. Im Fall von Samuel Magos Kurzgeschichtenband bernsteyn und rose handelt es sich dabei mit Romanes zudem um eine Sprache, deren Gebrauch über Jahrhunderte unter Androhung harter Strafen verboten war.
Mit bernsteyn und rose führt uns Samuel Mago an verschiedene Schauplätze und erzählt in lebendigen Bildern vom Schicksal der „kleinen Leute“.
So begleiten wir ihn etwa in das Budapester Ghetto, wo Roma und Juden Tür an Tür leben, in die Shutka von Skopje, wo eine selbstbewusste Romnja Karate trainiert oder zu einem Goldhändler in die Wiener Wollzeile, der einen Coup plant, den ein Rom für ihn ausführen soll. Die Charaktere, die er uns dabei näherbringt, sind liebenswerte Antihelden, die den widrigen Umständen zum Trotz nach einem kleinen bisschen Glück suchen.
Da ist die junge Romnja Róza, die ihr Herz wider besseren Wissens an den mysteriösen Untermieter Ivan Bernsteyn verliert, die resolute Frau Valeria, in deren Dreizimmerwohnung mitten im alten Judenviertel immer was los ist, oder Vida, deren Englischkenntnisse ihr zu einem Job als Croupiere im Wiener Prater Casino verhelfen.


Magos liebevoll in lebendigen Bildern erzählte Geschichten erscheinen gleich in zwei Sprachen: in Deutsch sowie in der Übersetzung auf Romanes, bei der der Autor Unterstützung von seinem Mentor Mozes Heinschink bekam. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass bisher keine standardisierte Form dieser Sprache existiert, sind literarische Texte auf Romanes eher dünn gestreut und bleiben der breiten Öffentlichkeit weitgehend verborgen. Wie bereits in seinem ersten zweisprachigen Band, glücksmacher – e baxt romani, den er 2017 zusammen mit seinem Bruder Mágó Károly veröffentlichte, leistet Mago hiermit einen wichtigen Beitrag zur Förderung und Verbreitung dieses europäischen Kulturguts.
Durch Erzählungen wird nicht nur die eigene Geschichte weitergegeben, sondern auch anderen ermöglicht, in eine Welt einzutauchen, die sie vorher vielleicht noch nicht so gut kannten. Nur so kommen wir drauf, wie ähnlich wir uns im Grunde doch sind, nur so können wir Empathie gegenüber den Lebensschicksalen anderer entwickeln und Vorurteile abbauen.
Es bleibt zu hoffen, dass es in Zukunft noch viel mehr solcher Erzählungen gibt. Samuel Magos bernsteyn und rose sei jedenfalls allen Leser:innen wärmstens ans Herz gelegt.

Barbara E. Seidl ist freie Autorin, Literaturwissenschaftlerin und Trainerin für Deutsch und Englisch als Fremdsprache.