„Nummer 7 wird dich überraschen“: Elias Hirschls Content

REZENSION Barbara E. Seidl | 27. März 2024

Ein Gespenst geht um, das Gespenst der Künstlichen Intelligenz. Hartnäckig nistet es sich in unserem beruflichen Alltag ein, übernimmt immer mehr Tätigkeiten und damit auch Arbeitsplätze. Was den einen ein Fluch, ist den anderen ein Segen, denn dank künstlicher Intelligenz lässt sich die Arbeit viel effizienter erledigen und eine wesentlich größere Workload bewältigen.

Um genau diesen „Vorteil“ geht es auch in Elias Hirschels neuem Roman Content (Zsolnay, 2024), in dem die Erzählerin in einer sogenannten Content-Farm mit Hilfe von ChatGPT sinnbefreite Listicles, also Listen-Artikel zu Themen wie „11 großartige Tipps, dein Leben in den Griff zu bekommen“, schreibt.

Elias Hirschl wurde 1994 in Wien geboren. Er ist Autor, Musiker, Slam Poet und schreibt für Theater und Radio. 2020 erhielt er den Reinhard-Priessnitz-Preis. Bücher u.a.: „Meine Freunde haben Adolf Hitler getötet und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt“ (Roman, 2016), „Hundert schwarze Nähmaschinen“ (Roman, 2017) und bei Zsolnay die Romane Salonfähig (2021) und Content (2024).

Elias Hirschl, Content. Zsolnay 2024, 224 Seiten, Hardcover € 23,70.

Das Geschäftsmodell der Content-Farm, so überzogen es auf den ersten Blick wirken mag, gibt es tatsächlich. Dabei generieren freie und leicht austauschbare Mitarbeiter*innen Unmengen an Inhalten aus Texten, Videos und Fotos. Diese sind von niedriger Qualität aber dafür umso suchmaschinenoptimierter. So werden in Hirschls fiktiver Content-Farm neben Listen-Artikeln etwa auch Videos und Memes produziert, in denen allerlei Gegenstände in Hydraulikpressen zerstampft werden. Wie nahe die Satire hier der Realität kommt, lässt sich an der Popularität solcher Videos auf Social Media erahnen. Die Absurdität, die sich der Autor hier bemüht zu überzeichnen, ist also längst Realität geworden.

Doch Elias Hirschls vor Einfallsreichtum sprühender Roman spinnt die aktuellen Entwicklungen noch weiter und lässt unsere schlimmsten Albträume wahr werden. So werden die gegen die unmenschlichen Arbeitsbedingungen streikenden Essensboten im Laufe der Handlung schließlich durch Drohnen ersetzt und auch die Erzählerin verliert immer mehr den Bezug zur Realität als sie ihrer Identität bestohlen wird und über Social Media mitverfolgen muss, wie jemand anderer in ihre Haut schlüpft.

Überhaupt sind die Angst vor dem Ersetztwerden und die damit einhergehenden Gefahren der Entfremdung und des Identitätsverlusts zentrale Themen des Romans und genau damit trifft Elias Hirschl den Puls der Zeit. Schrittweise mit sich rasant steigerndem Tempo führt uns der Autor dystopische Zukunftsszenarien vor Augen, die bei genauerem Hinsehen gar nicht mehr so fern in der Zukunft liegen. Das Ergebnis ist eine tragikomische Persiflage auf die verzweifelte Suche nach Sinn in einer vor lauter Content unübersichtlich und scheinbar aussichtslos gewordenen Welt.

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