Über Menschen und Maschinen: Im Gespräch mit Raphaela Edelbauer

In ihrem neuen Roman Dave lässt Raphaela Edelbauer Programmierer darüber philosophieren, wie Maschinen mit einem menschlichen Bewusstseins ausgestattet werden könnten. Doch ist das eine realistische Hoffnung oder wird der Traum von der superintelligenten Maschine immer bloß eine Illusion bleiben?

REZENSION UND PODCAST Barbara E. Seidl, 26. Jänner 2021

Es war der Computer, der den frühen Visionären ihren Biorhythmus diktierte, nicht umgekehrt: eine intime Verschmelzung von Mensch und Maschine – nur die erste von vielen.

Dave (Klett-Cotta 2021)

Das Buch:

Raphaela Edelbauer, Dave. Roman. Klett-Cotta 2021, 434 Seiten, € 25,70.

Der Traum, die Natur mit künstlichen Mitteln nachzuahmen, reicht weit zurück. So versuchten schon die Alchemisten mit Hilfe des Stein der Weisen, unedle Metalle in Silber und Gold zu verwandeln. Noch verlockender jedoch erschien seit jeher die Vorstellung von der Erschaffung künstlichen Lebens. Spätestens seit dem Erfolg von Mary Shelleys Roman Frankenstein – Oder der Moderne Prometheus im Jahr 1818, haben sich auch zahlreiche Schrifsteller*innen mit der Idee eines künstlichen Menschen, sowie mit der damit verbundenen Frage, was es eigentlich bedeutet, ein Mensch zu sein, auseinandergesetzt.

In Raphaela Edelbauers Roman Dave ist es das menschliche Bewusstsein, das als letzter großer Schritt zwischen dem Menschen und der künstlichen Superintelligenz steht.

In einem riesigen Kubus, der dem Schachcomputer Deep Blue nachempfunden ist, arbeiten die weltbesten Programmierer an einer Lösung dieses Problems. Während draußen die Welt in Folge einer Umweltkatastrophe unbewohnbar geworden ist, herrscht im Inneren des Kubus eine hierarchische Ordnung, die sich an Platons Ideenlehre orientiert: die Fabriksarbeiter leben zusammengepfercht in den unteren, die geistige Elite in den oberen Stockwerken.

Neben den ausgefinkelten räumlichen Dimensionen des Kubus hat die Autorin noch viele weitere Easter Eggs in ihrem Roman versteckt: Insider-Gags für Informatiker, Philosophen und Science Fiction Fans. Mittelpunkt der dystopischen Arche Noah ist Titelheld Dave, ein humanoider Roboter, der die Menschheit von allen ihren Leiden befreien soll und sie dabei gleichzeitig überflüssig macht. Dave, der in Propagandasendungen immerzu messiashaft angepriesen wird, erzeugt nicht nur bei den Lesenden sondern auch Syz, einem Programmierer, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, zunehmendes Unbehagen. Anstelle der Frage nach der Möglichkeit, einen Computer mit menschlichem Bewusstsein auszustatten, drängt sich beim Erzähler immer mehr jene nach den Interessen, die hinter diesen Bemühungen stehen.

Gespickt mit Anspielungen, gibt Dave nicht nur einen Überblick über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft künstlicher Intelligenz, sondern übt zwischen den Zeilen auch Kritik am unreflektierten Umgang mit technischen Systemen und das oft blinde Vertrauen in maschinelle Daten. Vieles von dem, was in Dave beschrieben wird, wäre aus rein technischer Sicht tatsächlich schon möglich, dennoch bleibt die Frage, ob das erstrebenswert ist.

Dave ist ein sehr facettenreicher Roman, der mit fortschreitender Handlung immer mehr an Spannung gewinnt. Was einige Leser*innen mitunter etwas fordern wird, ist die sprachliche Struktur des Romans, die – so darf angenommen werden – bewußt sehr abstrakt ist und in ihrer intellektuellen Fülle stellenweise ein wenig von der Handlung ablenkt. Dass diese Wirkung durchaus der Absicht der Autorin entspricht, lässt sich an einem metatextuellen Kommentar ablesen, das Edelbauer Felis, einem Freud des Erzählers, in den Mund legt:

„Ich habe dir immer gesagt, diese Fixierung auf Sprache ist ein Fehler. Ein Artefakt, reine Struktur, bloßes Netzwerk an Netzwerken, Abstraktion – menschliche Sprache hält DAVE doch nur auf – “ (Dave, 54).

Gerade hier zeigt sich auch der beißende Unterton des Romans, da es bekanntlich ja gerade die Sprache ist, die den Menschen zum Menschen macht.

Ist die totale Kontrollübernahme durch Maschinen noch aufzuhalten?

Raphaela Edelbauers Dave ist ein komplexer Roman, der mit seiner kritischen Reflexion künstlicher Intelligenz voll und ganz den Nerv der Zeit trifft.

Foto: Victoria Herbig

Raphaela Edelbauer, geboren in Wien, studierte Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst. Für ihr Werk »Entdecker. Eine Poetik« wurde sie mit dem Hauptpreis der Rauriser Literaturtage ausgezeichnet. Außerdem wurde ihr der Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb, der Theodor-Körner-Preis und der Förderpreis der Doppelfeld-Stiftung zuerkannt. Mit ihrem Roman »Das flüssige Land« stand sie auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und des Österreichischen Buchpreises. Raphaela Edelbauer lebt in Wien.

Im Gespräch für Das Litrophon gibt die Autorin Einblicke in Hintergründe und Entstehung ihres Romans und zerstreut unrealistische Hoffnungen in Bezug auf intelligente Maschinen.

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Barbara E. Seidl ist freie Autorin, Literaturwissenschaftlerin und Trainerin für Deutsch und Englisch als Fremdsprache.

2 Gedanken zu „Über Menschen und Maschinen: Im Gespräch mit Raphaela Edelbauer

  1. Hallo,

    Ein spannendes Interview zu einem Buch, das ohnehin schon auf meiner Wunschliste steht! Ich war von Raphaela Edelbauers Debütroman, „Das flüssige Land“, sehr begeistert. Außerdem habe ich vor vielen Jahren mal im Rahmen meines Studiums der Computervisualistik zwei Semester Robotik und Künstliche Intelligenz belegt – mich interessiert einfach, was da möglich ist oder mal möglich sein könnte.

    LG,
    Mikka

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